Der bairisch-württembergische Zollverein. 641
erzählten der Nürnbergische Correspondent, die Elberfelder Zeitung, das
Frankfurter Journal von unseligen Darmstädter Industriellen, die Haus
und Hof verließen um den preußischen Zöllen zu entgehen. Die Augs—
burger Allgemeine Zeitung ließ sich aus Darmstadt schreiben: man muß
heute einundzwanzigmal preußisch reden, ehe man einmal hessisch reden
darf; das unglückliche Land trägt zweifache Lasten, die neuen Mauthen
und die alten, da ja für Wein und Tabak Ausgleichungsabgaben erhoben
werden. Auch unabhängige Blätter, wie der Altonaer Mercur und die
Neue Mainzer Zeitung, erzählten die Fabel vom Fuchs, der im Stalle
zum Pferde sagte: tritt mich nicht, ich will dich auch nicht treten!
Die preußische Regierung konnte sich in den Künsten des literarischen
Minenkriegs niemals mit Oesterreich messen; sie begnügte sich, den öster—
reichischen Tendenzlügen lehrhafte Berichtigungen in der Staatszeitung
entgegenzustellen; das unglückliche Blatt krankte aber an der Erbsünde
aller officiösen Blätter, der Trockenheit. Auf allgemeine Zustimmung
konnte in diesem Lande der Kritik kein Schritt der Regierung rechnen.
Nicht bloß unter den Industriellen erzitterten Viele vor der drohenden Ver—
mehrung der Concurrenz. Auch eine Schule innerhalb des Beamtenthums,
Schön mit seinen ostpreußischen Freunden, schalt auf diese Bummler in
Berlin, die daheim nicht Ruhe fänden und auswärts unnütze Händel
anzettelten.
Am gefährlichsten unter allen Kräften des Widerstandes erschien vor
der Hand die feindselige Haltung des Münchener Hofes. Im Oktober
1827 waren in München die Verhandlungen zwischen den beiden süd-
deutschen Königskronen wieder aufgenommen worden. Schmitz-Grollen-
burg und Armansperg betrieben Beide das Geschäft mit feurigem Eifer.
So kam am 18. Januar 1828 jener erste deutsche Zollverein zu Stande.
Es erfüllte sich, was in Berlin so oft vorausgesagt worden: Tarif und
Verwaltungsordnung des neuen Vereins kamen den Grundsätzen der
preußischen Zollgesetzgebung sehr nahe, weil sich den süddeutschen Kronen
dieselben Fragen aufdrängten, welche Preußen schon durch das Gesetz von
1818 gelöst hatte. Die Zölle auf Fabrikwaaren standen niedriger als in
Preußen, die auf Colonialwaaren etwas höher: vom Kaffee erhob Preußen
6 Thlr. 20 Sgr. für den Centner, Baiern-Württemberg 15 Gulden für
den um etwa 9 Proc. schwereren bairischen Centner. Im Uebrigen fast
dieselben Regeln wie im preußisch-hessischen Vereine: getrennte Zoll-
verwaltung unter gegenseitiger Controle, Vertheilung der Einkünfte nach
der Kopfzahl, Grenzzölle und Packhöfe.
Indeß die verständige Verfassung konnte den Grundschaden dieses
Bundes nicht heilen: er war zu klein und darum, wie Eichhorn voraus-
sagte, nicht lebensfähig. Wohl stiegen die Zolleinnahmen Württembergs
im ersten Jahre um 220,000 Fl.; der kleinere Bundesgenosse zog selbst-
verständlich den größeren Vortheil aus der Erweiterung des Marktgebiets.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 41