Spannung zwischen Baiern und Preußen. 643
Wochen hindurch völlig fassungslos. „Nunmehr hab' ich alle Schritte
gethan, um meine armen Unterthanen zu retten!“ sagte er verzweifelnd
zu Schmitz-Grollenburg. In groben Schimpfworten entlud sich sein Groll;
er schalt laut auf den Verräther Hofmann, erzählte an offener Tafel,
Preußen habe den Prinzen Emil von Hessen mit 400,000 Fl. bestochen.
In seinem Zorne vergaß er auch wieder seinen teutschen Stolz. So lange
diese kleinen Höfe noch europäische Politik treiben durften, waren auch
patriotische Fürsten nicht vor argen Verirrungen sicher. Wie Ludwig einst
als Kronprinz, trotz seines Abscheus gegen Napoleon, mehrmals unter-
thänige Briefe an den Schöpfer der bairischen Königskrone gerichtet und
sogar die Hoffnung ausgesprochen hatte, sein Sohn Max werde dereinst
dem König von Rom seine Anhänglichkeit widmen, ) so hatte er neuerdings
um Sponheims willen die Hilfe Rußlands angerufen und wendete sich
jetzt wieder an das gehaßte Frankreich. Den Winter über hatte der
Herzog von Dalberg in München sein Wesen getrieben; nun fanden seine
Einflüsterungen Gehör. König Ludwig warnte den französischen Hof vor
dem Ehrgeiz Preußens, das bereits in Süddeutschland sich festzusetzen suche.
Im selben Sinne bearbeitete Lerchenfeld zu Frankfurt den alten Reinhard.
Alsbald befahl Minister La Ferronays dem Geschäftsträger in München
rührige Wachsamkeit gegen die von Preußen her drohende Gefahr; er
stellte zugleich einige Handelserleichterungen in Aussicht zu Gunsten der
troisième Allemagne.
Da König Ludwig schon nach wenigen Monaten von seinen leiden-
schaftlichen Verirrungen zurückkam, so wurden diese häßlichen Zettelungen
mit dem Auslande nachher ganz in Abrede gestellt. Der Hergang ist
gleichwohl verbürgt durch die übereinstimmenden Zeugnisse von Freund
und Feind. Nicht allein der preußische Gesandte Küster berichtete darüber
ausführlich seinem Hofe; der badische Gesandte Fahnenberg meldete ganz
dasselbe nach Karlsruhe. Der österreichische Gesandte Graf Spiegel warf
dem bairischen Minister des Auswärtigen die Anklage ins Gesicht, daß er
Frankreich in die deutsche Handelspolitik hineinzuziehen suche. Ueber
Lerchenfeld's Verhalten berichtete Blittersdorff, der ja selber sehr geneigt
war, jedes Mittel zu gebrauchen zur Vernichtung des preußisch-hessischen
Vereins.“) Die Schwenkung der bairischen Politik nach Frankreich hinüber
war bald eine der gesammten diplomatischen Welt bekannte Thatsache.
König Ludwig überließ sich eine Zeit lang blindlings dem stürmischen
Unwillen der verletzten Eitelkeit. Sein Cabinetsrath Grandauer übte
schlechten Einfluß; auch Freiherr v. d. Tann träumte bairische Großmachts-
träume. Nur der alte welterfahrene Minister Zentner sah die Dinge
*) Zwei dieser Briefe, vom 6. April und 29. Nov. 1811 sind mitgetheilt in den
Preußischen Jahrbüchern, November 1885.
*“) Berichte von Küster, 26. März, Fahnenberg, 5. März, Maltzan, 14. April,
Blittersdorff, 24., 26. März 1828.
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