Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Englisch-hannoversche Handelspolitik. 653 
sein Hof werde sich freuen, wenn Hessen bei dem preußischen Bündniß 
seinen Vortheil finde.“) Nach den Enthüllungen, die man in Berlin vom 
Darmstädter Hofe selbst erhalten, konnten solche Betheuerungen nur Heiter— 
keit erregen. Wie Oesterreich zu dem neuen Gegenzollvereine stand, das 
erhellte, wenn anders die Frankfurter Gesandtschaftsberichte noch einer 
Bestätigung bedurften, aus einem Briefe Lindenau's, der in Berlin be— 
kannt wurde. „Ich verhandle mit Holstein und den Niederlanden,“ schrieb 
der sächsische Diplomat an den Bundestagsgesandten Leonhardi, „sowie 
wir nicht minder der Unterstützung des gemeinnützigen, vielversprechenden 
Unternehmens von Seiten der österreichischen Regierung, welche dessen 
Förderung wünscht, versichert sein können.“““) Auch die anderen auslän- 
dischen Feinde der preußischen Handelspolitik liehen dem Vereine ihren 
Beistand. Graf Reinhard versicherte die Vereinsmitglieder der warmen 
Unterstützung des Pariser Cabinets. Um die Niederlande zu gewinnen, 
ging Lindenau im Herbst selber nach Brüssel und stellte dort vor — er, 
der Vertreter des Elbuferstaates Sachsen —: es sei nothwendig, den Rhein 
und Main wieder zu beleben, die durch den Elb= und Weserhandel so 
schwere Einbuße erlitten hätten, und den rheinischen Colonialwaarenhandel 
Hollands wieder zu der Höhe zu erheben, die er im achtzehnten Jahr- 
hundert behauptet. Selber mit seiner deutschen Provinz beizutreten, lag 
freilich nicht in Hollands Absicht; doch warben seine Diplomaten in Frank- 
furt eifrig für den Verein. 
Entscheidend wurde die Haltung von England-Hannover. Noch war 
man in London gewohnt, mit dreister Sicherheit auf Deutschlands Zwie- 
tracht zu rechnen; jede Regung selbständigen Willens in der deutschen 
Handelspolitik galt den Briten als ein Schlag ins eigne Angesicht. Welch' 
eine köstliche Aussicht, wenn jetzt durch den Gegenzollverein nicht nur die 
maßlose Anarchie des deutschen Zollwesens verewigt, sondern auch den 
englischen Waaren gegen mäßige Transitzölle der Weg bis ins Herz von 
Deutschland eröffnet wurde; von dort mochten sie dann durch die Schmuggler 
nach Preußen und Baiern hinübergeschafft werden. Mit Feuereifer ging 
der Gesandte am Bundestage, Addington, auf Lindenau's Ideen ein. 
Umsonst warnte der nüchterne Milbanke, Geschäftsträger bei der Stadt 
Frankfurt: der Verein entbehre jeden positiven Zwecks, könne und werde 
nicht dauern, der deutsche Handel bedürfe schlechterdings einer Reform. 
Addington's Meinung drang in London durch; allzu verlockend war der 
Gedanke, den offenen hannoverschen Markt, der bisher den englischen 
Fabriken so unschätzbar gewesen, bis an den Main zu erweitern. Die 
englische Schaluppe Hannover folgte wie immer ihrem Schiffe. Graf 
Münster schalt hinterrücks den preußischen Zollverein „eine preußische 
  
*) Maltzan's Bericht, 10. Sept. 1828. 
*“) Lindenau an Lconhardi, 3. Juni 1828.
	        
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