Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

730 III. 10. Preußen und die orientalische Frage. 
gefressen war, die griechischen Empörer zu unterstützen.“) Daher rieth 
Metternich der Pforte dringend zur Nachgiebigkeit gegen Rußlands An— 
sprüche; denn wurde der Czar zufriedengestellt, so konnte er nicht mehr 
in Canning's Fallstricke stürzen, der Sultan aber durfte seine ganze Macht 
zur Unterdrückung der Griechen verwenden. 
Mit gerechtem Befremden vernahm Sultan Machmud die gänzlich 
veränderte Sprache seiner österreichischen Freunde; derselbe Gentz, der in 
seinen Depeschen an die wallachischen Hospodare so oft vor Rußlands 
ehrgeizigen Plänen gewarnt hatte, befürwortete jetzt die Forderungen des 
Czaren. Dem Padischah blieb in seiner Bedrängniß keine Wahl. Gegen 
die griechischen Rebellen hatte er schon die Hilfe seines ägyptischen Vasallen 
aurufen müssen, dessen Macht ihm selber leicht über den Kopf wachsen 
konnte, und das ruhmreiche Heer der Janitscharen, vor Zeiten der Kern 
der osmanischen Kriegsmacht, war jetzt in zuchtlosem Prätorianerstolz der- 
maßen verwildert, daß die Leibwächter dem Herrscher selbst gefährlich 
wurden. Da flammte die Willenskraft der alten großen Sultane noch 
einmal schrecklich auf in dem letzten begabten Sohne des Hauses Osman. 
Machmud beschloß die Janitscharen aufzulösen, durch ein entsetzliches Blut- 
bad wurde die Heerschar vernichtet, die einst der Schrecken der Christenheit 
gewesen. Ein dem Verderben verfallenes Reich vermag aber selbst noth- 
wendige Reformen nicht mehr zu ertragen. Die Vernichtung der Janit- 
scharen traf den alten orientalischen Kriegsstaat in den Wurzeln seiner 
Verfassung, sie zwang ihn fortan, seinem Charakter zuwider, abendländische 
Einrichtungen nachzuahmen. Alte Kraft war zerstört, neue nicht gewonnen. 
Die gläubigen Moslemin grollten, ihre Flüche wider den Giaur Padischab 
drangen bis zu Machmud's Ohr; die neugebildeten, europäisch geschulten 
Linientruppen gehorchten zwar dem Kriegsherrn, aber zum Kriege war dies 
werdende Heer noch nicht gerüstet. In solcher Lage mußte der stolze Sultan 
nach langem Sträuben den friedlichen Mahnungen der Großmächte endlich 
nachgeben. Im Vertrage von Akkerman (Okt. 1826) bewilligte er alle 
Forderungen Rußlands: vollständige Erfüllung des Bukarester Friedens, 
Herausgabe einiger tscherkessischen Grenzplätze, gesicherte Halbsouveränität 
für Serbien und die Donaufürstenthümer. 
Unterdessen ward das Petersburger Protokoll bekannt. Der über- 
listete österreichische Staatsmann stürzte aus allen seinen Himmeln. Nie- 
mals hatte er für denkbar gehalten, daß die alten Feinde England und 
Rußland sich je vertragen, der wohlgesinnte Czar für die griechischen 
Rebellen je einen Finger rühren würde; und da er selber niemals Un- 
recht haben konnte, so meinte er jetzt, der Czar sei schwach geworden, der 
unerfahrene junge Fürst habe sich durch Canning's schlechte Künste ver- 
führen lassen. An die Dauer, an irgend eine Wirkung dieses unnatür- 
  
*) Hatzfeldt's Berichte, 15., 25. Jan., 10. April 1826.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.