Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die Burschenschaft und die Unbedingten. 755 
des Jenenser Burschenlebens, welche unsere Literatur besitzt; nur muß man das Buch 
vorsichtig benutzen, da der heißblütige Mann über die Jugendideale, mit denen er so 
gänzlich gebrochen hatte, zwar mit cynischer Aufrichtigkeit, aber nicht immer unbefangen 
spricht. Mindestens ebenso lehrreich wie diese und die übrigen hier einschlagenden neueren 
Schriften von Menzel, Henke, Simon, Clöter u. A. war mir die längst verschollene 
ältere Literatur, welche Baumgarten nicht näher zu kennen scheint, so Jarcke's Schrift 
über Sand — eine scharfsinnige und stoffreiche criminalistische Untersuchung, deren auch 
R. v. Mohl, ein politischer Gegner Jarcke's, mit gerechtem Lobe gedenkt, so Hohnhorst's 
Bericht über Sand's Proceß, so vor Allem die eigenen Schriftstücke der Unbedingten, 
namentlich das Große Lied von Karl Follen. 
Zu den Bruchstücken dieses Liedes, welche ich bereits im 2. Bande mitgetheilt, füge 
ich hier noch einige weitere Proben hinzu, damit der Leser selber urtheile. Da heißt es: 
Brüder, so kann's nicht geh'n 
Laßt uns zusammenstehn, 
Duldet's nicht mehr! 
Freiheit, dein Baum fault ab. 
Jeder am Bettelstab 
Beißt bald in's Hungergrab. 
Volk in's Gewehr! 
Brüder in Gold und Seid', 
Brüder im Bauernkleid, 
Reicht Euch die Hand! 
Allen ruft Deutschland's Noth, 
Allen des Herrn Gebot: 
Schlagt Eure Plager todt, 
Rettet das Land! 
Dann wird's, dann bleibt's nur gut, 
Wenn Du an Gut und Blut 
Wagst Blut und Gut, 
Wenn Du Gewehr und Arxt, 
Schlachtbeil und Sense packst, 
Zwingherrn den Kopf abhackst! 
Brenn' alter Muth! 
Und weiter: Auf, auf, mein Volk, Gott schuf dich frei, 
Ruft dich aus der Knechtschaft Wüstenei 
Zu der Freiheit Heimathsgestaden. 
Mußt wandeln durch ein rothes Meer, 
Durch deiner Söhne Opferblut. 
Das tilgt die Pharaonenbrut 
Mit Noß und Troß, mit Kron'’ und Heer. 
Und so fort, mehr als einen Druckbogen lang. 
Wenn das nicht heißt Mord und Aufruhr predigen, dann hat die deutsche Sprache 
keinen Sinn mehr. Und diese Verse stammen nicht aus der Feder eines thörichten 
Polterers; sie rühren her von einem Manne, der, nach der übereinstimmenden Aussage 
von Freund und Feind, frühreif und kalt verständig, jedes seiner Worte besonnen ab- 
wog. Es ist nicht anders, die ersten Keime jenes wüsten Radicalismus, der ein Menschen- 
alter später über unsere Fluren dahinraste, zeigen sich leider schon in der Burschenschaft, 
nicht in ihrer ehrenwerthen Gesammtheit, aber in einer kleinen extremen Sekte. Und 
das Haupt dieser Sekte war Karl Follen. Das lehrt, neben so vielen anderen Zeug- 
nissen, die Haltung Sand's in seinen Verhören; wenn es galt Karl Follen zu decken, 
dann scheute Sand kein Mittel der Lüge, dann klagte er sogar seinen Herzensfreund 
Asmis fälschlich an. 
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