Nebenius und der deutsche Zollverein. 773
Ew. K. H. haben schon vor langer Zeit ähnliches über meinen Oheim gegen einen
Verwandten, den Forstmeister v. Motz zu Hanau erwähnt.
Wir sind in unserer Familie, welche Ew. K. Hoheit und Ihren hohen Vor—
fahren seit 2 Jahrhunderten in hohen Stellen des Landes mit ersprießlichem Nutzen,
besonders aber treu und bieder gedient hat, an dergleichen Vorwürfe nicht gewöhnt und
ein Mitglied unserer Familie, welchem solche Vorwürfe mit Recht gemacht werden könnten,
würde unter uns selbst nicht geachtet werden. In diesen Gesinnungen erzogen, hielt es
der Forstmeister v. Motz für seine Pflicht meinem Oheim diese Aeußerung Ew. K. H.
schon damals zu berichten. Mein Oheim hat sich hierauf sogleich schriftlich an Höchst—
dieselben gewendet und um strengste Untersuchung gebeten. Ew. K. Hoheit haben ihm
diese nicht gewährt.
Ich bitte hiermit Namens meines Oheims nochmals um eine Untersuchung, ich
bitte im Besonderen, daß Ew. K. H. in Gnaden geruhen wollen, dieselbe zu beschleunigen,
damit der 80jährige Greis nicht seine Klagen und seinen Kummer über solche Vorwürfe
mit hinüber nehmen möge.
Es ist die größte Devotion, mit welcher ich ersterbe:
Ew. K. H. 2c.
F. Ch. A. von Motz,
Königl. Preuß. Reg.-Präsident.
XV. Uebenius und der deutsche Zollverein.
Zu Bd. II S. 614 f., Bd. III S. 623f.
„Wer hat das deutsche Reich gegründet? König Wilhelm und Bismarck oder
Fichte und Paul Pfizer? — Wer ist der Schöpfer des einigen Italiens? Cavour oder
Gioberti?"“ — Diese lustigen Fragen drängen sich unwillkürlich auf, sobald wir hören,
wie die deutschen Staatsgelehrten noch heute mit feierlichem Ernste über die Frage streiten,
ob König Friedrich Wilhelm III. und seine Räthe oder Nebenius und List als die
Schöpfer des deutschen Zollvereins zu betrachten seien. Während sonst der materialistische
Sinn unserer Tage nur allzu geneigt ist, die Arbeit des Denkers zu mißachten, herrscht
in der Staatswissenschaft, die sich doch gänzlich auf dem Gebiete des nach außen ge-
richteten Willens bewegen soll, noch die doktrinäre Ueberschätzung der Theorie, ein schwäch-
liches Erbstück aus den Tagen der einseitig literarischen Bildung unseres Volkes. Wie
dürr und leblos erscheint doch die Geschichte der Politik in den meisten deutschen Büchern
und Kathedervorträgen. In einem großen und freien Sinne behandelt könnte sie die
tiefsinnigste der Staatswissenschaften werden. Sie soll nachweisen, wie die Entwickelung
der Ideen in Wechselwirkung steht mit den politischen Zuständen, wie die scheinbar freie
Arbeit des Gedankens, wie selbst das willkürliche Phantasiespiel der Utopia des Thomas
Morus bedingt wird durch die Institutionen, die Parteikämpfe, die Interessen des Zeit-
alters, und wiederum, wie die Ideale weissagender Denker auf weiten Umwegen den
Eingang finden in das Gefühl der Massen und die Gesetze der Staaten. Nur so wird
die Nothwendigkeit, der Zusammenhang, der stetige Fortschritt der politischen Ideen er-
klärt; nur so erfüllt die Geschichte der Politik auf ihrem Gebiete die Aufgabe, welche
Hegel der Geschichte der Philosophie gestellt hat, da er sagte: Die Philosophiec ist ihre
Zeit in Gedanken erfaßt. Statt dessen bieten manche hochgelehrte Werke über die Ge-
schichte der Politik lediglich ein Repertorium für fleißige Bibliothekare. In unendlicher
Reihe marschiren die Büchertitel auf, durch zahllose Excerpte wird belegt, was A und B
und X über den Staat gedacht haben; kaum ein verlorenes Wort gedenkt jener großen
Acte der Gesetzgebung, welche die Lebensgewohnheiten und Anschauungen der Völker oft