90 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's.
sondern auch die ungleich freier gesinnten beiden Prinzen Wilhelm, der
Bruder und der Sohn des Königs. Seit der große Kurfürst einst die
Grundlagen des preußischen Abgabenwesens mit eiserner Hand festgestellt,
waren die Hohenzollern in ihrer Steuerpolitik stets conservativ verfahren,
und wenn Einer von dieser Tradition des Hauses abgewichen war, wie
Friedrich der Große bei Einführung seiner Regie, so hatte sich regelmäßig
ein starker Unwille im Volke gezeigt. Die Erhebung von mehr als 10 Mill.
neuer Steuern stand in Preußens Geschichte ohne Beispiel da, und sie
sollte erfolgen unmittelbar nachdem das neue Zollgesetz die Abgaben vom
auswärtigen Verkehr völlig umgestaltet hatte.
Wie behutsam auch Hoffmann die Gedanken des Meisters ausführte
— was Hardenberg plante, war doch eine Reform an Haupt und Glie-
dern. Drang er mit seinen Absichten durch, so blieb von den althistori-
schen Steuern der Monarchie mit Ausnahme der Grundsteuer keine ein-
zige unverändert. Die Einheit des Marktgebiets, welche das Zollgesetz als
Grundsatz aussprach, verwirklichte sich erst durch die Aufhebung aller der
alten Accisen und Octrois; der innere Verkehr ward endlich vollkommen
frei, bis auf die wenig lästige Thorsperre an den Mauern der mahl-
und schlachtsteuerpflichtigen Städte, und an die Stelle der alten Finanz-
politik, welche die weithin zerstreuten Provinzen als halb selbständige
Territorien von einander abgesondert hatte, trat ein völlig neues System,
eine Politik der Staatseinheit, die im Laufe der Zeit unvermeidlich dahin
trachten mußte, auch die zwischenliegenden Kleinstaaten sich zu unterwerfen.
Es war ein Wagniß, kaum minder kühn als die Reformen von 1808
und 1810. Eine so radicale Neuerung mußte dem Nichtfachmanne wohl
befremdlich und, bei der Mißstimmung in den neuen Provinzen, gefähr-
lich erscheinen. Und dazu die unleugbaren Mängel der Klassensteuer.
Selbst nachdem der Staatsrath noch eine höchste Stenerklasse für die
Wohlhabenden hinzugefügt hatte, blieb die Begünstigung der Reichen noch
sehr auffällig: kein Haushalt sollte mehr als 48 Thlr. zahlen, lediglich
weil Hoffmann Bedenken trug, den Klassenstolz der höheren Stände auf-
zuregen!
So geschah es denn, daß eine aus ehrenwerthen und zweifelhaften
Elementen seltsam gemischte Partei sich um Ancillon zusammenfand. Ihr
Führer aber entbehrte gänzlich der Sachkenntniß, er versuchte nicht ein-
mal einen Gegenvorschlag aufzustellen und verfiel in jene hohlen Phrasen,
welche niemals ausbleiben, wenn Dilettanten über Finanzfragen reden.
Gleich in der ersten Plenarsitzung (20. April) vertheidigte er den klein-
müthigen privatwirthschaftlichen Grundsatz, der schon in der alten Mon-
archie so viele Mißgriffe veranlaßt hatte, jetzt aber, am Vorabend einer
umfassenden Finanzreform, gradezu wie Hohn klang: den Grundsatz, daß
sich die Ausgabe immer nach der vorhandenen Einnahme richten müsse.
Darauf beantragte er, den Monarchen zu bitten, daß nochmals untersucht