Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Verhandlungen mit Herzog Karl. 109 
Osterreich für den verächtlichsten der deutschen Fürsten. Aber Nagler blieb 
standhaft, und am 4. November — zwei Monate nach der Flucht des 
Welfen — beschloß die Bundesversammlung, dem Herzog Karl zu eröffnen, 
daß er die Landschaftsordnung von 1820 nur auf verfassungsmäßigem 
Wege abändern dürfe. Wie lächerlich auch dieser Beschluß in der gänzlich 
veränderten Lage klingen mochte, er war doch notwendig, er sicherte den 
unglücklichen Braunschweigern mindestens ihre neue Verfassung. Preußens 
Triumph war vollständig, und ingrimmig nannte Metternich im vertrauten 
Kreise den einst so hochgeschätzten Nagler einen verkappten Jakobiner. 
Außer Österreich hatten nur der unverbesserliche Kurfürst von Hessen 
und Münchs getreuer Trabant, der Stimmführer der sechzehnten Kurie 
Leonhardi gegen den Beschluß gestimmt.*) Nun erst konnte man an die 
Frage des Augenblicks herantreten. An die Wiedereinsetzung des Herzogs 
Karl glaubte eigentlich niemand mehr, nicht einmal der strengste aller 
Legitimisten, Zar Nikolaus. Der antwortete auf den Hilferuf des Flüch- 
tigen: „Wenn ich die Ereignisse, von denen Sie mir sprechen, beklage, so 
beklage ich doch nicht weniger die verhängnisvollen Verirrungen, welche 
sie hervorgerufen haben, und die Täuschungen, welche Ew. Durchlaucht 
noch über ihre unvermeidlichen Folgen zu hegen scheinen.““) Auch Met- 
ternich hatte dem preußischen Gesandten wiederholt ausgesprochen, daß 
Karl jetzt unmöglich sei, und Kaiser Franz sogar einen freundlichen Brief 
an Herzog Wilhelm gerichtet. Aber wie zweideutig blieb bei alledem 
Österreichs Haltung. Als der neue k. k. Gesandte, Hruby, in Braun- 
schweig erschien, brachte er ein Beglaubigungsschreiben an Herzog Karl 
mit, und dies Schreiben sollte er dem Bruder des Herzogs als dessen 
Stellvertreter überreichen.*) Münch begann unterdessen wieder sein altes 
Spiel gegen Nagler, und bei der ängstlichen Zerfahrenheit der Versamm- 
lung durfte er wohl hoffen, die Entscheidung abermals hinauszuzögern. 
Da wurde der Bundestag durch eine neue Torheit des flüchtigen Welfen 
zum Handeln gezwungen. 
Am 8. November hatte Karl die Verhandlungen mit den englischen 
Ministern plötzlich abgebrochen, am folgenden Tage war er aus England 
verschwunden. Acht Tage später tauchte er in der Frankfurter Gegend 
wieder auf; der Jude Henrici, der soeben aus dem Londoner Schuldge- 
fängnis entlassene vormalige bayrische Leutnant Bender von Bienenthal 
und einige andere Abenteurer gleichen Schlages bildeten sein Gefolge. 
Er kam mit gefüllten Taschen und war entschlossen, sich mit einer Frei- 
schar die Krone zurückzuerobern. Da Herzog Wilhelm seiner Vollmacht 
nicht öffentlich erwähnt hatte, so betrachtete Karl ihn fortan als Feind, 
*) Naglers Berichte, 26. 31. Okt. 6. Nov. 1830. 
*?) Kaiser Nikolaus an Herzog Karl von Braunschweig, 25. Nov. (a. St.) 1830. 
* #) Maltzahns Bericht, 7. Okt. Kaiser Franz an H. Wilhelm von Braunschweig, 
17. Okt. 1830. 
 
	        
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