Karls versuchte Rückkehr. 111
sehr übel zu Mute; das Betragen der Offiziere schmerzte ihn tief, und
traurig bekannte er dem väterlichen Wittgenstein: „Die Verhältnisse nötigen
mich, alle diese Dinge stillschweigend gutzuheißen.“*) Aber auch diesmal
ließ er sich von der Strömung treiben und gestand in einer Proklamation
vom 26. Nov.: er habe die Regierung „nicht ohne die Zustimmung“ seines
Bruders übernommen; obgleich „diese Zustimmung zu seinem innigsten
Bedauern jetzt aufgehört“ habe, so wolle er doch auf seiner Stelle bleiben,
da Herzog Karl außer stande sei, selbst zu regieren. Und wieder ent-
schuldigte er sich vor dem preußischen Hofe: der Schritt sei durch die all-
gemeine Gärung geboten worden.)
Herzog Karl war unterdessen in dem preußischen Städtchen Ellrich
am südlichen Abhange des Harzes eingetroffen. Dort warb er einen
Haufen müßigen Volkes, ließ das Gesindel tellergroße französische Kokar-
den, die er aus Metz mitgebracht, auf die Mützen stecken, und führte
seine Bande am 30. November gegen die nahe braunschweigische Grenze.
Er spielte jetzt ganz den internationalen Demagogen, versprach seinem
Volke in aberwitzigen Manifesten Abschaffung des Heeres, Ablösung der
Zehnten, Steuerfreiheit für die niederen Klassen, Schwurgerichte, gewählte
Volksvertreter und Beamte. Auch einen gefälschten Aufruf seines Bruders
führte er in zahlreichen Abzügen mit sich; darin mahnte Herzog Wilhelm
die Untertanen, „ihre Gemüter nur den Verheißungen und dem guten
Willen Unseres Bruders zu öffnen.““““) An der Grenze, bei Zorge standen
die schwarzen Jäger, die noch den Namenszug Karls auf den Tschakos
trugen; doch weder die Offiziere noch die Mannschaft wollten dem Kriegs-
herrn folgen, als dieser halb berauscht und weinend sie zu überreden
suchte. Sobald die Truppen sich zum Feuern fertig machten, ergriff der
Welfe zum dritten Male die Flucht, ehe noch ein Schuß gefallen war;
seine Bande stob auseinander, und die aufgefundenen blauweißroten
Kokarden wurden nachher den Depeschen der Diplomatie beigelegt, um die
jakobinischen Pläne dieses legitimen Fürsten handgreiflich zu erweisen. Mit
dem Stolze des Helden berichtete sodann der Jägerhauptmann Berner
von der unblutigen Schlacht, die sich an „diesem in der Geschichte ewig
denkwürdigen Platze“ abgespielt hatte.x) Karl eilte westwärts, und als
sich unterwegs in Osterode drohendes Volk vor seinem Gasthause zusammen-
rottete, suchte er zum vierten Male sein Heil in der Flucht, bis er end-
lich die Grenzen Frankreichs erreichte.
Diese widerlichen Narrenstreiche stießen dem Fasse doch den Boden
Bode, Begleitschreiben an einen Kammerherrn (vermutlich v. Hohnhorst), 24. No-
vember 1830.
*) H. Wilhelm an Wittgenstein, 24. Nov. 1830.
**) H. Wilhelm an König Friedrich Wilhelm, 26. Nov.; an Bernstorff, 26.Nov. 1830.
**“) Proklamation Herzog Wilhelms, 28. Nov. 1830, von Herzog Karl verfaßt.
) Hauptmann Berner, Bericht an Oberst v. Wachholz, 1. Dez. 1830.