Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

120 IV. 2. Die konstitutionelle Bewegung in Norddeutschland. 
eifrigste Reaktionär der Versammlung, der Holsteiner Pechlin, sondern 
auch der Oldenburger Both, weil sein braver Großherzog sich nicht ent- 
schließen konnte, die Folgen eines Aufruhrs anzuerkennen. Andere Sou- 
veräne betrachteten die Frage einfach als Familiensache. In Darmstadt 
neigte sich du Thil der preußischen Ansicht zu, aber Prinz Emil setzte durch, 
daß man den Vetter Karl nicht im Stiche ließ. Ebenso dachte der Dresdner 
Hof, der sogar im voraus verlangte, daß Karls künftige Kinder nicht 
von ihrem revolutionären Oheim, sondern vom Könige von Hannover er- 
zogen werden sollten. Selbst der König von Württemberg ließ sich, gegen 
den Rat seiner Minister, durch dynastische Rücksichten bestimmen. Nicht 
einmal auf ihren eigenen Gesandten, den Nassauer Marschall konnte sich 
die braunschweigische Regierung unbedingt verlassen. Dieser Vertraute 
Metternichs erweckte allgemeinen Argwohn durch seine fast übermenschliche 
Unparteilichkeit, er hatte noch Vollmacht von Herzog Karl und empfing 
zugleich die Weisungen Herzog Wilhelms; abwechselnd Revolutionär und 
Legitimist überreichte er dem Bundestage bald die Erklärungen des jüngeren, 
bald die des älteren Bruders und sagte sich selber die gröbsten Beleidigungen 
ins Gesicht. Dagegen ging Preußens alter Feind Blittersdorff diesmal 
mit Nagler zusammen, desgleichen Mecklenburg, die Ernestiner, die Hanse- 
städte. Bei König Ludwig von Bayern hatten die flehentlichen Bitten 
seiner Stiefschwestern und der Königin-Witwe nichts ausgerichtet; nach 
einigem Zögern erklärte er sich für die Erklärung der beiden Welfenhöfe: 
von Nebenbestimmungen müsse man absehen, da sie „teils der Beur- 
teilung der hohen Agnaten zustehen, teils auf Voraussetzungen zielen, 
welche noch nicht eingetreten sind.“?) 
Am 11. Mai, zwei volle Monate nach dem Antrage der Agnaten, 
erwartete man endlich den Schluß der Verhandlung. Die Stimmen 
standen, acht gegen acht. Mit Spannung sahen alle der Abstimmung 
Luxemburgs entgegen; sie allein fehlte noch und mußte den Ausschlag 
geben. Die Instruktion aus dem Haag war noch immer nicht eingetroffen. 
Der luxemburgische Gesandte aber, Graf Grünne, stammte aus einem 
Geschlechte, das im österreichischen Dienste emporgekommen war; er zählte 
zu Münchs Vertrauten und bot willig seine Hand zu einem jener Über- 
raschungsscherze, welche die k. k. Bundespolitik mit Hilfe der dehnbaren 
Präsidialrechte so meisterhaft aufzuführen verstand. Münch war, wie 
Metternich dem preußischen Gesandten selbst gestand, durch die Hofburg 
angewiesen, „die ferneren Bundesbeschlüsse an die neuesten faktischen Vor- 
gänge anzuknüpfen,“#*) und diesem Befehle gemäß kartete er sein Spiel 
mit dem Luxemburger ab. Statt einfach anzuzeigen, daß er noch keine 
Weisung habe und mithin die Schlußziehung noch vertagt werden müsse, 
  
*) K. Ludwig von Bayern, Weisung an Lerchenfeld, 2. Mai 1831. 
**) Maltzahns Bericht, Wien 2. Mai 1831.
	        
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