Die Polenfreunde. 207
Bayern Grosse und Widmann, dann Dr. Butte und eine Schar anonymer
Schriftsteller, von denen keiner je das alte Deutschordensland betreten hatte.
In seiner italienischen Abgeschiedenheit dichtete Platen seine wilden Polen-
lieder, mit ungewohnter Wärme, aber auch mit vollendeter Unkenntnis
aller Verhältnisse. Er glaubte im Ernst, daß „Rom und seine Jesuiten“,
die natürlich auf seiten der rechtgläubigen Polen standen, mit den platt-
nasigen Moskowitern Bruderküsse tauschten; denn die römische Mitra und
die russische Knute galten den Liberalen ein für allemal als der Inbegriff
alles politischen Verderbens. Und wenn der Dichter dem Zaren zurief:
Sohn eines Bankerts, Enkel einer Hurel
Vernimmst du nicht, daß alle dich begrüßen:
Rehabeam, wie steht's mit deinem Schwure? —
so vergaß er nur die Kleinigkeit, daß nicht Nikolaus, sondern die Polen
ihren Schwur gebrochen hatten.
In Berlin bildeten die Polenfreunde den ersten schwachen Stamm
einer liberalen Oppositionspartei. Sie versammelten sich täglich in der
Konditorei von Steheli hinter dem Schauspielhause, lasen dort den Cou-
rier polonais, sowie das deutsche Warschauer Blatt und eiferten weidlich
wider die russisch gesinnten Diplomaten und Offiziere des Adligen Kasinos
am Pariser Platze, zumal wider den treuen Stägemann, der als guter
Ostpreuße den alten Markmannenhaß gegen die Sarmaten in seinen
antimessenischen Oden ungescheut aussprach und kurzweg sagte:
Glimme der Feuerball,
Der Polen hieß, zur Nacht geschleudert,
Unter der Asche die letzte Glut aus!
Außer Ed. Gans schürte namentlich Varnhagen mit seiner Rahel das
Feuer der polnischen Begeisterung. Der hatte alle diese Jahre hindurch
beharrlich versucht, durch freiwillige diplomatische Arbeiten die Gunst Bern-
storffs wiederzugewinnen, unter anderem durch eine Denkschrift, worin
er vorschlug, man möge die preußische Verfassung insgeheim ausarbeiten,
vorläufig nach ihr regieren und sie dann nach Jahresfrist veröffentlichen.
Er war auch neuerdings von dem gutmütigen Minister eine Zeitlang
im Auswärtigen Amte beschäftigt, aber wegen seines unheilbaren politischen
Dilettantismus bald wieder beseitigt worden und spielte nunmehr aber-
mals den Freiheitshelden. Im stillen übten diese polenfreundlichen Stim-
mungen der gelehrten Welt eine starke Wirkung. Die Schrift des gut-
mütigen Friedrich von Raumer über „Polens Untergang“ klang fast wie eine
Anklage gegen Friedrich den Großen, und die Minister dachten schon an die
Einleitung eines Strafverfahrens. Friedrich Wilhelm aber gewährte dem
Historiker, nachdem er das Büchlein gelesen, eine königliche Genugtuung;
er beauftragte ihn, als einen offenbar unparteiischen ehrlichen Schrift-
steller, „Preußens Verhältnisse zu Polen in den Jahren 1830—32“ nach
amtlichen Quellen darzustellen. Raumer gehorchte und gab der Wahrheit
"*) Varnhagen, Betrachtungen über die gegenwärtigen Verhältnisse, 29. Juni 1820.