Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

214 IV. 3. Preußens Mittelstellung. 
letzten Zusatz hatte Preußen beantragt, um freundnachbarlich dem geäng— 
stigten Bayernkönige aus der Not zu helfen. Im übrigen war der 
Beschluß weit milder und versöhnlicher gehalten, als die früheren Frank— 
furter Ausnahmebeschlüsse. Der Bundestag sprach zugleich die Erwartung 
aus, daß die Regierungen nicht bloß gefährliche Nachgiebigkeit vermeiden, 
sondern auch begründeten Beschwerden ihrer Untertanen landesväterlich 
abhelfen würden. Eine solche Anerkennung der Rechte des Volks war 
in der Geschichte der Bundesversammlung unerhört. In seinem beglei— 
tenden Vortrage muß Nagler sogar — auf Eichhorns bestimmten Befehl 
und gegen seine persönliche Neigung — rundheraus erklären, daß manche 
Staaten durch Vernachlässigung ihrer Bundespflichten, namentlich durch 
die unterlassene Einführung der Landstände allerdings Anlaß zu Klagen 
gegeben hätten. 
Leider folgte dem verständigen Beschlusse ein Nachspiel, das den be- 
rechtigten Unwillen der Liberalen erregte. Jetzt zum ersten Male erdreistete 
sich Zar Nikolaus, in die Bundespolitik einzugreifen, indem er der 
Frankfurter Versammlung seine Anerkennung für ihre weisen Beschlüsse 
aussprach; der Bundestag antwortete durch ein Dankschreiben, ohne zu 
erwägen, daß wer loben darf, auch zum Tadel berechtigt ist. Bald 
darauf setzte Preußen durch, daß die Kontingente der allerkleinsten Staaten 
endlich zu einer Reserve-Infanteriedivision vereinigt und für den Kriegs- 
fall zur Besetzung der Bundesfestungen verwendet werden sollten. Leicht 
hielten solche Beschlüsse mit nichten, denn die Bundes-Militärkommission 
führte auch in diesen gefährlchen Zeiten ihr subalternes Stilleben weiter. 
Sie stritt sich über den Eid des Kommandanten, der noch immer nicht 
vollendeten Bundesfestung Landau; Württemberg hielt ihr einen aus- 
giebigen Vortrag über die Frage, wer ein beim Luxemburger Festungsbau 
gefallenes Pferd zu bezahlen habe, und gelangte zu dem Ergebnis, daß dieser 
schwierige Fall nirgends vorgesehen, also nur durch ein neues Bundes- 
gesetz zu entscheiden sei.“) 
Als die Kriegsgefahr näher rückte, stellte König Friedrich Wilhelm 
dem Auswärtigen Amte die Anfrage (10. Nov.), wie die Ruhe in Deutsch- 
land für den Fall des Krieges zu sichern sei. Bernstorff ließ darauf 
durch Eichhorn in einer ausführlichen Denkschrift die leitenden Grundsätze 
seiner Bundespolitik zusammenstellen (29. Januar 1831). Unbefangen 
gestand er zu, daß die Unzufriedenheit in den kleinen Staaten nicht 
allein durch die Juli-Revolution hervorgerufen sei, sondern durch schwere 
Fehler der Regierungen und vornehmlich durch den Unwillen der Deut- 
schen über ihre Zerrissenheit; darum dürfe der Krieg gegen Frankreich 
nicht als ein Prinzipienkampf für das legitime Recht geführt werden, 
sondern als ein Verteidigungskrieg für die vaterländischen Grenzen; dann 
  
*) Naglers Berichte, 10., 22. November, 10. Dezember 1830.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.