Militärische Verhandlungen mit Österreich. 215
werde die Nation einem warmen Aufrufe des Königs ebenso freudig folgen
wie im Jahre 1813, zumal wenn man sie durch patriotische Schriften über
die Lage aufkläre. Den Augenblick für eine Bundesreform sah er noch nicht
gekommen: „Wenn die deutschen Regierungen, durch eigene Erfahrung be-
lehrt, einst aufgehört haben werden, in Anordnungen, die nichts als das
gemeine Beste Deutschlands zu begründen und zu erhöhen bestimmt und
geeignet sind, nur Beschränkungen ihrer Souveränität zu sehen und zu
scheuen, wenn sie in ihrem richtig verstandenen Interesse Antriebe finden,
freiwillig dazu die Hände zu bieten, alsdann wird erst die Zeit zu einer
den Grundsätzen Preußens angemessenen Verwirklichung eines besseren
Zustandes der deutschen Bundesverfassung die völlige Reife erlangt haben.“
Für jetzt bleibe nur übrig, daß Preußen durch streng gesetzliche, bundestreue
Haltung sich das allgemeine Vertrauen sichere und zugleich fortfahre,
durch Sonderverhandlungen mit den einzelnen Staaten gemeinnützige
Zwecke zu fördern, insbesondere der allgemeinen deutschen Handelsfreiheit
schrittweise sich anzunähern.
Der König gab diesen Grundsätzen seine Zustimmung (22. März).
Die Kriegsgefahr zwang ihn, den empfohlenen Weg der Sonderverhand-
lungen alsbald rüstig zu verfolgen. Jetzt da Not an Mann kam, waren
alle Höfe über die unverbesserliche Erbärmlichkeit der Bundeskriegsver-
fassung einig, selbst jene Mittelstaaten, welche einst aus Neid gegen Preußen
dies Meisterwerk geschaffen hatten. Alle fühlten, daß mindestens für den
nächsten Krieg eine andere, festere Ordnung verabredet werden müsse, da
Österreich seiner besten Kraft zum Schutze Italiens bedurfte. Auf Preu-
ßens wiederholtes Andrängen erklärte sich die Hofburg auch bereit, mit
den süddeutschen Höfen zu verhandeln; aber die alte Gleichgültigkeit gegen
Deutschland und die Mattigkeit, welche diesen alternden Hof ergriffen
hatte, lähmten jeden Entschluß. Graf Schönburg, der Gesandte in Stutt-
gart, der die Verhandlungen führen sollte, blieb monatelang untätig in
Wien, und Preußen sah sich schließlich gezwungen, alles auf seine eigene
Kappc zu nehmen. Schon im Dezember 1830 wurde General Röder nach
Wien gesendet und überraschte im Januar die Hofburg durch die bestimmte
Erklärung: die Bildung eines Bundesheeres unter einem Bundesfeldherrn
sei offenbar unmöglich. Preußen denke mit seiner ganzen Macht in den
Krieg einzutreten und verlange, daß drei Heere aufgestellt würden: ein
preußisches, verstärkt durch die kleinen norddeutschen Kontingente, an der
Mosel: ein süddeutsches, durch preußische Truppen verstärkt, am Ober-
und Mittelrhein; endlich ein österreichisches in Schwaben. Damit war
die Bundeskriegsverfassung über den Haufen geworfen, freilich nur vor-
läufig, für die Dauer des nächsten Krieges, eines Krieges, welchen Preußen
aus guten Gründen zu vermeiden wünschte. Die lächerliche Künstelei,
welche sechs der neun preußischen Armeekorps von dem Bundesheere aus-
schloß, sollte hinwegfallen, Preußen der Sache nach die Führung des