Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Verständigung über den Bundeskriegsplan. 219 
wichtig und teuer als die eigenen sind.“*) In langen Monaten ver- 
mochten weder Bernstorff noch die Generale Krusemark und Rühle sich 
mit diesem wortreichen Freunde zu verständigen. Bernstorff, krank und 
reizbar wie er war, bat endlich den König geradezu, ihn von diesem Ge- 
schäfte zu entbinden.“) 
Inzwischen wurde General Knesebeck mit der Fortführung der Unter- 
handlungen beauftragt, und dieser alte treu ergebene Freund der Hofburg 
bemühte sich nach Kräften, allen Wünschen Clams entgegenzukommen. 
Preußens Forderungen entsprachen aber so genau den gegebenen Macht- 
verhältnissen, daß selbst Knesebeck wenig davon nachlassen konnte. Als 
nun endlich im Mai 1832 die Militärbevollmächtigten der süddeutschen 
Höfe, die von Preußen über alles getreulich unterrichtet waren, und dann 
auch die Vertreter von Sachsen und Hannover nach Berlin geladen 
wurden, da errang die preußische Politik einen vollständigen Triumph. 
Die Offiziere der Mittelstaaten erklärten sich samt und sonders für 
Preußens Vorschläge, und die Militärkonferenz beschloß, daß für den 
Fall des Krieges drei Heere aufgestellt würden: zwei aus Preußen und 
Bundestruppen gemischte am Nieder= und Mittelrhein, dazu ein öster- 
reichisches Heer am Oberrhein. Preußen versprach außer den Festungs- 
garnisonen 231000 Mann zu stellen, die kleinen Staaten 116000 Mann 
— eine ziemlich kühne Rechnung —, Osterreich endlich 172000 Mann. 
Die letztere Zahl ließ man nur aus Höflichkeit stehen; denn niemand 
glaubte, daß der Krieg in Italien so viele k. k. Truppen verfügbar lassen 
würde. Traten diese Entwürfe je ins Leben, so erhielt Preußen offenbarddie 
Leitung des Bundeskriegs. Der verabredete Plan wurde sodann dem aus 
Petersburg gesendeten General Neidhardt mitgeteilt, und Zar Nikolaus 
wiederholte seine dreiste Zusage, daß er im Falle des Krieges Polen mit 
100000 Mann decken und 200000 Mann als „furchtbare Reserve“ dem 
deutschen Heere nachschicken werde. So hoffte man gegen jeden Angriff 
gedeckt zu sein. Alle diese Verhandlungen blieben tief geheim und für 
den Augenblick ohne Wirkung, da der Krieg abgewendet wurde; aber sie 
bewiesen schlagend, daß selbst die eifersüchtigen kleinen Höfe in ernster 
Not nur bei Preußen Hilfe suchen konnten, und wer frei in die Zu- 
kunft blickte, mochte schon jene von Eichhorn erhoffte Zeit nahen sehen, 
da die deutschen Dinge für eine preußische Bundesreform reif wurden. 
In welche Sackgasse war doch der Deutsche Bund unter dem Systeme 
des friedlichen Dualismus geraten: alle größeren Höfe sahen ein, daß 
sie den Krieg gegen Frankreich nur unter Preußens Führung unternehmen 
durften; und dennoch wagte niemand, die gesetzliche Neugestaltung des 
Bundeskriegswesens auch nur zu beantragen.“") 
*) Clam an Knresebeck, 15. März 1833 usw. 
**) Kabinettsordre an Bernstorff, 12. März; Bernstorff an Clam, 14. März 1832. 
**) S. Beilage XK. 
 
	        
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