Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

222 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland. 
des Großherzogs sämtlich abgelehnt. Der Hof sah sich genötigt, seine 
Ausgaben stark zu beschränken und sogar das Hoftheater zu schließen, das 
den Darmstädtern, wie allen Bewohnern der kleinen deutschen Residenzen 
die einzige Würze in der Langeweile ihres Daseins war. Aller Zorn der 
dosgesellschaft ergoß sich nunmehr auf du Thil; er allein sollte durch seine 
Offenheit die erlittene Niederlage und die beleidigenden Reden des Land- 
tags verschuldet haben. Der ehrgeizige Prinz Emil, der zu seinem Unheil 
ein Kommando im österreichischen Heere abgelehnt hatte und nun mit 
seinem militärischen Talent in dem kleinen Staate nichts anzufangen 
wußte, trat dem Minister offen entgegen. 
Mittlerweile begann es in Oberhessen zu gären. Aufrührerische 
Banden aus dem Großherzogtum schlossen sich den kurhessischen Maut- 
stürmern an; denn solange die Nachbarstaaten noch nicht beigetreten 
waren, empfand man in den zerstückelten Gebieten der Wetterau nur die 
Lasten, nicht die Segnungen des preußischen Zollvereins; selbst Professor 
Hundeshagen in Gießen, der berühmte Forstmann, erklärte in einer leiden- 
schaftlichen Schrift die preußischen Mauten für das Unglück des Landes. 
Der Pöbel zerstörte die Zollhäuser und zündete da und dort einem ver- 
haßten Amtmann das Dach über dem Kopfe an. Hier wie in Kurhessen 
lärmten die schwer belasteten Untertanen der mediatisierten Fürsten am 
lautesten. Die Lage ward im September recht bedenklich. Der Hof ver- 
zagte, und E. E. Hoffmann erdreistete sich schon, wie ein Diktator ein 
beschwichtigendes Manifest an sein Volk zu erlassen. „Alles was unsere 
Nachbarn wünschen, haben wir,“ sagte er mit dem ganzen Stolze des Darm- 
städters, „haltet den Namen Hessen makelfrei.“ Da befahl du Thil auf 
eigene Faust die Einberufung der Beurlaubten und ließ zugleich in Frank- 
furt um Beistand bitten, während der Kurfürst von Hessen jede Bundes- 
hilfe höhnisch zurückoies. Prinz Emil wurde an die Spitze der Armee 
gestellt und also mit dem Minister versöhnt. In wenigen Tagen trieb 
der Prinz die Aufrührer auseinander; bei Södel kam es zu einem kleinen 
Gefechte, und auch einige der braven Bauern, welche die Ruhestörer 
bekämpft hatten, bekamen im Getümmel die Klingen der erbitterten Reiter 
zu fühlen. Die Ordnung war hergestellt, der beherzte Minister gewann 
das Vertrauen des Großherzogs wieder, und auch Otterstedt tat das 
Seine, um das Ansehen des Staatsmannes, der allein im Süden ein 
zuverlässiger Anhänger Preußens war, aufrecht zu erhalten.?) 
Viele Jahre lang führte du Thil fortan die Herrschaft, gewissenhaft 
und einsichtig, aber auch mit einer Strenge, die nach und nach zur Härte 
wurde. Seine treue deutsche Gesinnung hatte er schon im Befreiungs- 
kriege bewährt, als er den Zutritt des Landes zur großen Allianz ver- 
mitteln half, und dann noch kühner durch die Zollverhandlungen mit 
  
*) Du Thil an Otterstedt, 13. Okt. Otterstedts Berichte, 15., 27. Okt. 1830.
	        
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