222 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland.
des Großherzogs sämtlich abgelehnt. Der Hof sah sich genötigt, seine
Ausgaben stark zu beschränken und sogar das Hoftheater zu schließen, das
den Darmstädtern, wie allen Bewohnern der kleinen deutschen Residenzen
die einzige Würze in der Langeweile ihres Daseins war. Aller Zorn der
dosgesellschaft ergoß sich nunmehr auf du Thil; er allein sollte durch seine
Offenheit die erlittene Niederlage und die beleidigenden Reden des Land-
tags verschuldet haben. Der ehrgeizige Prinz Emil, der zu seinem Unheil
ein Kommando im österreichischen Heere abgelehnt hatte und nun mit
seinem militärischen Talent in dem kleinen Staate nichts anzufangen
wußte, trat dem Minister offen entgegen.
Mittlerweile begann es in Oberhessen zu gären. Aufrührerische
Banden aus dem Großherzogtum schlossen sich den kurhessischen Maut-
stürmern an; denn solange die Nachbarstaaten noch nicht beigetreten
waren, empfand man in den zerstückelten Gebieten der Wetterau nur die
Lasten, nicht die Segnungen des preußischen Zollvereins; selbst Professor
Hundeshagen in Gießen, der berühmte Forstmann, erklärte in einer leiden-
schaftlichen Schrift die preußischen Mauten für das Unglück des Landes.
Der Pöbel zerstörte die Zollhäuser und zündete da und dort einem ver-
haßten Amtmann das Dach über dem Kopfe an. Hier wie in Kurhessen
lärmten die schwer belasteten Untertanen der mediatisierten Fürsten am
lautesten. Die Lage ward im September recht bedenklich. Der Hof ver-
zagte, und E. E. Hoffmann erdreistete sich schon, wie ein Diktator ein
beschwichtigendes Manifest an sein Volk zu erlassen. „Alles was unsere
Nachbarn wünschen, haben wir,“ sagte er mit dem ganzen Stolze des Darm-
städters, „haltet den Namen Hessen makelfrei.“ Da befahl du Thil auf
eigene Faust die Einberufung der Beurlaubten und ließ zugleich in Frank-
furt um Beistand bitten, während der Kurfürst von Hessen jede Bundes-
hilfe höhnisch zurückoies. Prinz Emil wurde an die Spitze der Armee
gestellt und also mit dem Minister versöhnt. In wenigen Tagen trieb
der Prinz die Aufrührer auseinander; bei Södel kam es zu einem kleinen
Gefechte, und auch einige der braven Bauern, welche die Ruhestörer
bekämpft hatten, bekamen im Getümmel die Klingen der erbitterten Reiter
zu fühlen. Die Ordnung war hergestellt, der beherzte Minister gewann
das Vertrauen des Großherzogs wieder, und auch Otterstedt tat das
Seine, um das Ansehen des Staatsmannes, der allein im Süden ein
zuverlässiger Anhänger Preußens war, aufrecht zu erhalten.?)
Viele Jahre lang führte du Thil fortan die Herrschaft, gewissenhaft
und einsichtig, aber auch mit einer Strenge, die nach und nach zur Härte
wurde. Seine treue deutsche Gesinnung hatte er schon im Befreiungs-
kriege bewährt, als er den Zutritt des Landes zur großen Allianz ver-
mitteln half, und dann noch kühner durch die Zollverhandlungen mit
*) Du Thil an Otterstedt, 13. Okt. Otterstedts Berichte, 15., 27. Okt. 1830.