Unruhen in München. 241
In peinlicherer Lage befand sich König Ludwig von Bayern. Nach
seiner ganzen Weltanschauung konnte er die Juli-Revolution nur verab-
scheuen. Man sah ihn finster, schweigsam einhergehen und bemerkte bald,
daß jener klerikale Kreis, welchen die Liberalen nach Pariser Muster die
Kongregation nannten, in der Stille Einfluß gewann..) Von den ver-
trauten Generaladjutanten war der eine, General Deuxponts, ein Vetter
Polignacs, der andere, Prinz Konstantin Löwenstein, weithin verrufen als
Feuerbrand der reaktionären Partei; im Schlosse Heubach am Main ver-
sammelten sich um den geistreichen unterrichteten Prinzen die Führer der Ul-
tramontanen aus ganz Süddeutschland und jene feudalen Edelleute, welche in
der neuen Agrargesetzgebung nur „das legalisierte Faustrecht“ sehen wollten.
Im selben Sinne wirkte insgeheim der vielvermögende Kabinettsrat Gran-
dauer. Auch Feldmarschall Wrede, der mittlerweile seinen Frieden mit
dem Wiener Kabinett geschlossen hatte, ward am Hofe wieder hoch geehrt.
Indessen blieb das Land noch ruhig, obgleich die hohen Bierpreise unter
den Gästen des Hofbräus viel Zorn erregten. Als Ludwig am Jahres-
tage der Leipziger Schlacht den Grundstein zur Walhalla legte, rühmte
sein Minister Schenk in prahlerischer Rede, wie „fest und ruhig hier
der glückliche, weil beglückende König Bayerns“ stehe, während ringsumher
die Empörung tobe. Der König ließ sogar auf die Treue seiner Bayern
eine Münze schlagen und sang ihnen zu:
Siegend alle Proben schon bestanden,
Bleibt ihr immerdar bei eurer Pflicht.
Selbst die frühsten Zeiten so euch kannten;
Bayern, zu verderben seid ihr nichtl
Was er an Sicherheitsmaßregeln für nötig hielt, versparte er sich auf
die Zeit nach den Neuwahlen, die im Dezember stattfanden.
Da wurde die Ruhe der Hauptstadt in der Weihnachtswoche mehr-
mals durch rohen Unfug der Studenten gestört. Es war ein gemeiner
Straßenlärm, ohne politischen Zweck, nur mittelbar gefördert durch den
unbestimmten Tatendrang der aufgeregten Zeit. König Ludwig aber
hörte auf die Einflüsterungen seiner Umgebung, er wähnte einer furcht-
baren Verschwörung gegenüberzustehen, befahl zahlreiche, zum Teil un-
gesetzliche Verhaftungen, er schloß die Universität auf einige Zeit und be-
nutzte nunmehr die Vollmacht, die er sich vom Bundestage erbeten hatte.
Am 28. Januar 1831 erließ Minister Schenk eine Preßverordnung,
welche die Besprechung innerer Angelegenheiten der Zensur unterwarf und
den Zeitungsschreibern unter anderem auch verbot, die Striche der Zen-
soren durch Lücken im Druck anzudeuten: diese oft sehr drastisch wirkenden
„Zensurlücken“ waren neuerdings als ein willkommenes Mittel der Not-
wehr bei der mißhandelten liberalen Presse in Gebrauch gekommen. Die
*) Küsters Berichte, 25. August 1830 ff.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 16