242 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland.
Verordnung entsprach den Verfassungsgesetzen, welche die Zensur für
alle Zeitschriften politischen und statistischen Inhalts vorschrieben; aber sie
stand in grellem Widerspruche mit dem seit Jahren herrschenden milderen
Brauche und mit des Königs eigenen Worten. Wie oft hatte er sich
doch in früheren, hoffnungsfrohen Jahren gerühmt, daß seine Bayern
über bayrische Dinge unbeschränkt ihre Meinung sagen dürften! Dann
erfuhr man, daß fünf von den 54 in die Kammer gewählten Staats-
und Gemeindebeamten keinen Urlaub erhalten hätten. Auch damit glaubte
der König nur sein verfassungsmäßiges Recht auszuüben. Doch jeder-
mann sah, daß der Urlaub den fünf Abgeordneten nicht wegen der Erfor-
dernisse des öffentlichen Dienstes, sondern um ihrer liberalen Gesinnung
wegen verweigert wurde; und zudem war die Frage, ob auch Gemeinde-
beamte des Urlaubs bedürfen, noch immer streitig.
Diese Schritte der Regierung erregten überall so tiefen Unmut,
daß die Stadträte von Nürnberg und Bamberg sich berechtigt hielten,
an den König selbst unehrerbietige Eingaben zu richten. Die Nürnberger
nannten die „unglückselige Ordonnanz vom 28. Jan.“ geradezu „ver-
fassungs= und eideswidrig“, sie beschwerten sich über die Ausschließung
„der Männer, welche unter den Gewählten am meisten das Vertrauen
des Volkes genießen“; sie versicherten, im Lande herrsche „eine kaum je
erlebte Gärung: die Bewohner Nürnbergs blicken mit wahrem Schauder
in die nächste Zukunft.“ Der König erwiderte sehr mild: es sei ihm
schmerzlich, verkannt zu werden, aber wie er die Freiheit der Wahlen
gewahrt habe, so wolle er auch seine eigenen Rechte wahren.*) Die ver-
söhnliche Antwort beschwichtigte nicht. Aus den Bergen des Allgaus lief
eine noch weit heftigere Adresse an den Landtag ein: die Regierung habe
die Verweigerung des Urlaubs nur deshalb so weit ausgedehnt, „um sich
gegen jene, durch die Ereignisse des Juli jetzt glücklich zernichtete hohe
Allianz gefällig zu zeigen. Wir sollen eine bloße Schein-Repräsentation
besitzen und doch so gutmütig sein zu glauben, wir hätten eine wahre.
Die Minister eilen, sich die traurige Verlassenschaft Karls X. anzueignen;
doch auch sie haben falsch gerechnet wie das deplorable Ministerium.
Repräsentanten! Enthüllet dem Könige den furchtbaren Abgrund, an den
heuchlerische Frömmlinge ihn führten “)
Wie kamen diese braven Kleinbürger, die sich in der Krone zu Kempten
oder in der Post zu Immenstadt bei der landesüblichen „Elfuhr-Meß“,
beim Frühschoppen, zusammenzufinden pflegten, zu solchen französischen.
Redensarten? Es ließ sich nicht verkennen, die Aufregung im Volke war
vorhanden, aber sie ward auch künstlich gefördert durch eine verwilderte
*) Eingabe des Magistrats von Nürnberg, Febr. Kabinettsschreiben des Königs
an Präsident Frhr. Zu Rhein, Bürgermeister Binder und Bayl, 8. Febr. 1831.
*“) Adresse aus Kempten an die Kammer der Abgeordneten, 17. Febr. 1831.