Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

260 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland. 
Friedrich die politischen Gedanken, welche den deutschen Süden bewegten, 
aus erster Hand kennen und stand ihnen doch fern genug, um darüber 
das gesamte Vaterland nicht aus den Augen zu verlieren. 
Als er im Jahre 1823 die Heimat wieder sah und mit Schrecken 
die allgemeine Entmutigung bemerkte, schrieb er für die Familie einen 
meisterhaften Aufsatz über „die politische Einheit Deutschlands“. Mit 
der Überlegenheit des geborenen Staatsmannes, militärisch kurz, klar 
und sicher schilderte er hier die Nichtigkeit der kleinen Höfe und den 
Verfall Osterreichs, das in der Zukunft nur Niederlagen erleben werde. 
Preußen allein könne die Führung Deutschlands übernehmen, „weil 
Ehrgeiz die Bedingung seiner Existenz“ sei, und auch die Liebe der 
Deutschen leicht gewinnen, sobald der König seine Reichsstände berufe. Im 
Jahre 1834 verfolgte Gagern, vielleicht angeregt durch Pfizers Briefe, diesen 
Gedankengang weiter und zeichnete die Grundlinien der künftigen deut- 
schen Reichsverfassung in einer Abhandlung „Vom Bundesstaat“, deren 
knappe Bestimmtheit von den weitschweifigen, verschwommenen Betrach- 
tungen des wissenschaftlichen Staatsrechts jener Tage seltsam abstach.) 
Er verlangt ein erbliches Kaisertum, dergestalt, daß die kleinen Fürsten 
das Heerwesen, die auswärtige Politik, sowie einige ihrer inneren Hoheits- 
rechte der Zentralgewalt abtreten, mithin ihre Souveränität aufgeben und 
dem Kaiser gehorchen müssen. Daneben eine Kammer der halbsouveränen 
Fürsten und eine gewählte Volksvertretung, beide um den Kaiser ver- 
sammelt in einer großen Hauptstadt, die als mächtiger Brennpunkt des 
nationalen Lebens den Deutschen unentbehrlich ist und darum, allen Vor- 
urteilen zum Trotz, durchaus geschaffen werden muß. Im einzelnen 
blieb natürlich noch vieles unklar; aber fest und sicher stand der zukunfts- 
reiche Gedanke, daß die im preußischen Staate verkörperte Idee der natio- 
nalen Einheit sich mit den konstitutionellen Ideen des Südens verbinden 
mußte, um den Sieg zu erringen, und diese Beweisführung wirkte um- 
so zwingender, da sie aus der Feder eines gemäßigten liberalen Aristo- 
kraten floß. 
Wie unaufhaltsam der Drang der Einheit in dem Wirrsal der deut- 
schen Politik arbeitete, das empfand in banger Ahnung der geistreiche 
Franzose Edgar Quinet, der um diese Zeit in Heidelberg lebte und eine 
schöne Pfälzerin heimführte. Eben hier inmitten der lärmenden Pfalz, 
wo alles nach Freiheit rief, ward ihm deutlich, der tiefste und leben- 
  
*) Dieser Aufsatz kann nicht, wie Heinrich v. Gagern (Leben Friedrichs v. Gagern 
I. 355 f.) behauptet, schon im Jahre 1826 entstanden sein, sondern erst 1834; denn 
er erwähnt den bekannten Zollstreit zwischen Südkarolina und der Union, der in den 
Jahren 1832 und 33 spielte, als ein Ereignis aus „der neuesten Zeit“. Überdies er- 
zählt Friedrich selbst in einem Briefe aus Eindhoven v. 14. April 1834 (a. a. O. II. 
204), daß er die Abhandlung „Bundesstaat" soeben nebst einigen anderen Arbeiten 
hier in Eindhoven geschrieben habe.
	        
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