Der Vergebliche Landtag in Württemberg. 289
brauste König Wilhelm auf, gab dem Vertrauensbrecher seine „ganze
Indignation“ zu erkennen und sagte zum Schluß: „Ebenso unangenehm
sind mir die Lobsprüche gewesen, die Sie über denjenigen Teil meines
Briefes, den Sie nicht abgedruckt haben, beigefügt haben, indem unter den
wirklichen Zeitumständen jedes günstige Urteil eines Mannes, der zu
einer Partei gehört, zu der Sie sich öffentlich bekannt haben, für mich nur
höchst beleidigend sein kann.“ Mit so schnöden Worten gab der Schwaben—
könig den Liberalen den Laufpaß. Für jetzt blieb diese Kriegserklärung
noch geheim; denn Wangenheim, der seine eigene Schuld durchaus nicht
einsehen wollte, meinte stolz: „das Mitleid forderte, dem unköniglichen
Schreiben keine Offentlichkeit zu geben, und die Verachtung forderte,
nichts darauf zu erwidern.“7)
Bald genug sollte der Landtag selbst erfahren, daß der König seine
politischen Gegner wie persönliche Feinde betrachtete. Es war Brauch in
Schwaben, daß die neuen Abgeordneten den Verfassungseid in die Hand
des Königs ablegten. Unter den Neugewählten befand sich aber Paul
Pfizer. Der war soeben aus dem Staatsdienst ausgetreten, weil ihn seine
Vorgesetzten wegen des Briefwechsels zweier Deutschen zur Rechenschaft
zogen. Um keinen Preis wollte König Wilhelm seine Hand diesem Ver-
haßten reichen, der dem Hause Württemberg zugemutet hatte, sich den
Hohenzollern unterzuordnen. Pfizer wurde daher unter der Hand auf-
gefordert, bei der Eröffnungssitzung wegzubleiben. Zu einer so schimpflichen
Demütigung konnte sich der bescheidene junge Abgeordnete doch nicht ent-
schließen, ein unmittelbarer Befehl des Königs war ihm gar nicht zuge-
kommen. So vollzog sich denn schon die Eröffnung der Ständevers ammlung
unter bösen Anzeichen (15. Januar 1833). Der gefürchtete junge Liberale
erschien, aber die angekündigte feierliche Auffahrt des Monarchen ward in
letzter Stunde abgesagt, und statt seiner vereidigte ein Minister die Volks-
vertreter.*) Alsbald folgten heftige Verhandlungen über die Wahlen.
Wangenheims Wahl ward von einer schwachen Mehrheit für ungültig
erklärt, und dem Ausgestoßenen blieb nur die Genugtuung, daß jetzt alle
Parteien wetteifernd seine Verdienste um die Begründung der Verfassung
anerkannten. Selbst sein alter Gegner Uhland sagte: „Gibt es nicht auch
ein geistiges Heimatsrecht, das nicht ganz von der Scholle abhängt? Ist
es nicht auch ein Wohnen im Lande, wenn man im Angedenken seiner
Bewohner lebt und dann durch ihr Vertrauen zur Repräsentation berufen
wurde?“
Das Schicksal des entlassenen Ministers teilten vier andere Abge-
ordnete, welche vor Jahren wegen demagogischer Umtriebe auf dem Hohen-
*) K. Wilhelm an Wangenheim, 9. Sept. Wangenheim an Hartmann, 27. Sept.
1832. S. Beilage XX!.
*“) Küsters Bericht, 15. Jan. 1833.
v. Treitsch ke, Deutsche Geschichte. IV. 19