Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Bundes-Zentralbehörde. 303 
nach Mainz schaffen lassen; und als man einwarf, der Mainzer Name sei 
durch die schwarze Kommission allzusehr in Verruf gekommen, da bemerkte 
Nagler mit wehmütiger Selbsterkenntnis, der Name Frankfurts hätte einen 
noch schlimmeren Klang im Volke.“) Aber der Senat der freien Stadt 
weigerte sich, seine Hochverräter herauszugeben, und da er sich auch nicht 
entschließen konnte, den Bund um die unentbehrliche militärische Unter- 
stützung zu bitten, so beschloß der Bundestag, nach seinem guten Rechte, 
selbst das Notwendige (12. April). Etwa zweitausend Mann Osterreicher 
und Preußen wurden aus Mainz abberufen und unter der Führung des 
k. k. Generals Piret vorläufig in Sachsenhausen und den umliegenden 
Ortschaften einquartiert. Die innere Stadt und die Gefangenen blieben 
unter der bewährten Obhut des Frankfurter Bataillons, das nur „bei aus- 
brechenden Unruhen“ unter Pirets Oberbefehl treten sollte. So ehrfurchts- 
voll ward die Souveränität der Bundesstadt geschont: die Preußen mußten 
dem Bundesgeneral unbedingt gehorchen, dem freien Frankfurt wagte man 
eine solche Demütigung nicht zuzumuten. Trotzdem fühlte sich der Senat 
tief verletzt und sendete dem Bundestage eine übellaunige Erklärung, die 
fast wie eine Rechtsverwahrung klang, aber stillschweigend zu den Akten 
gelegt wurde. 
Alsbald witterte der französische Gesandte Baron Alleye, ein heiß- 
blütiger, radikaler Kreole, daß sich hier wieder einmal ein bequemer 
Anlaß bot, um Unfrieden zwischen den Deutschen zu säen. Er berichtete 
an seinen Minister und erhielt von Broglie in den letzten Apriltagen 
eine Depesche, welche nochmals den alten Sirenensang von der Unab- 
hängigkeit aller deutschen Staaten und VBölkerschaften anstimmte. Als 
er aber dies Schriftstück dem präsidierenden Bundesgesandten Manteuffel 
vertraulich vorlas, da weigerte sich der Sachse, auf eine Verhandlung solcher 
Art überhaupt einzugehen, und versuchte, dem Franzosen einen ungefähren 
Begriff von der deutschen Bundesverfassung beizubringen; nur sprach er 
leider mit einer Höflichkeit, welche auf den Vertreter der Zivilisation des 
Westens nicht genügenden Eindruck machte. Noch strenger wies Metternich 
eine Anfrage des französischen Gesandten in Wien zurück; und am Pariser 
Hofe erhob Werther sogleich ernstlich Beschwerde.““) Der Bundestag billigte 
das Verhalten seines Vorsitzenden, alle Anwesenden äußerten sich scharf 
über die Anmaßung der Franzosen, und der erschrockene Vertreter Frank- 
furts mußte demütig versichern, sein hoher Senat sei keineswegs gemeint 
die Gültigkeit der letzten Bundesbeschlüsse zu bestreiten, noch weniger die 
Hilfe des Auslandes anzurufen.“) 
Wie seltsam hatte sich mittlerweile die Stimmung der Frankfurter 
  
*) Naglers Bericht, 23. April 1833. 
**) Ancillon, Weisung an Maltzahn, 15. Mai 1833. 
*?2) Berichte von Blittersdorff, 30. Apr., 10., 23. Mai; von Nagler, 23. Mai 1833.
	        
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