Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

318 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten. 
Deutschland, daß in dieser Westmark, wo alle Welt des Deutschen Bundes 
spottete, mindestens die schwarzweiße Fahne noch verhaßt und gefürchtet 
blieb. Der Sohn eines holländischen Generals und bis zum Jahre 1806 
selbst holländischer Offizier, war Dumoulin im preußischen Dinste bald 
ganz zum Deutschen geworden; er hatte sich in den schweren napoleonischen 
Zeiten das Vertrauen Gneisenaus erworben und dann bei der Erhebung 
Deutschlands wacker mitgeholfen. Sein neues Amt übernahm er mit 
dem Bewußtsein, daß ihm die Grenzhut des Vaterlandes anvertraut sei; 
er führte die Geschäfte des Gouvernements, da der Gouverneur, der 
tapfere alte Landgraf Ludwig von Hessen-Homburg, nach Fürstenbrauch 
den größten Teil des Jahres auf Reisen verbrachte, und erschreckte die 
Belgier durch seine genaue Kenntnis der niederländischen Verhältnisse, 
die Diplomaten des Bundestags durch den soldatischen Freimut seiner 
Berichte. 
Und welch eine Aufgabe hatte er zu lösen! Neun Jahre lang blieb 
die Festung in beständigem Belagerungszustande, rings von Feinden ein- 
geschlossen. Für die Garnison freilich erzwang sich der General den freien 
Verkehr mit Trier und dem heimatlichen Hinterlande, aber auch nur für 
die Garnison; jeder Warenballen, der an die Einwohner einging, unterlag 
den belgischen Zöllen und wurde von den Zollbeamten der Rebellen mit 
berechneter Bosheit mißhandelt. Handel und Wandel stockten gänzlich; die 
Wirksamkeit der Rechtspflege endete an den Grenzen des Festungsrayons, 
da der Bundestag die Behörden der Belgier nicht anerkannte; selbst der 
Postverkehr mit Deutschland hörte auf, und Dumoulin mußte die Briefe 
der Einwohner durch seine Ordonnanzen befördern lassen. An die alten 
Wälle, die in gewaltigen Zickzacklinien die Felsentäler der Elze und des 
Petrusbachs überragten, wagten sich die Belgier nicht heran; dafür ver- 
suchten sie durch schlechte Künste Verräterei anzuzetteln. Bald mußte 
der General einen Belgier, der einen preußischen Soldaten zur Desertion 
verleiten wollte, ausprügeln lassen — was nach Kriegsrecht erlaubt war 
und sehr heilsam wirkte, bald eine Brigade belgischer Zollwächter im 
Festungsbezirke gefangen nehmen, bald die Milizaushebungen der Belgier 
untersagen oder ihren Holzfreveln steuern. Dazu von hüben und drüben 
beständige Versuche, Freikorps zu bilden; wiederholte Verhaftungen, heute 
von der einen, morgen von der anderen Seite angefochten; und ein wider- 
wärtiger Briefwechsel mit dem belgischen Militärgouverneur General Tabor 
in Arlon, der erst nach scharfen Zurechtweisungen einsah, daß man einen 
preußischen General nicht ebenso schnöde behandeln durfte wie den Deutschen 
Bund. Aber auch der holländische Zivilgouverneur in der Festung selbst, 
General Gödecke, machte dem tapferen Preußen zu schaffen; er begünstigte 
erst unter der Hand die Umtriebe der kleinen oranischen Partei, dann 
verlangte er Schonung für die gefangenen Belgier, da sein König noch 
immer hoffte, die meuterische Provinz durch Güte zu gewinnen; dann for-
	        
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