Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Luxemburg und die Westmächte. 319 
derte er gar Bezahlung für die preußische Einquartierung. Selbst der 
Bundestag beschwerte sich, weil die preußischen Ingenieure im Angesichte 
des Feindes die Festungswerke verstärkten, und es währte lange, bis er 
diese außerordentlichen Ausgaben genehmigte.“) Das Tollste blieb doch, 
daß der Bund sich über ein Rayonsgesetz für die Bundesfestungen noch 
immer nicht hatte einigen können. Der Kommandant mußte also eigen- 
mächtig die Abgrenzung des Festungsrayons bestimmen. Als er sich durch 
die beharrlichen Neckereien der Belgier genötigt sah, das Festungsgebiet bis 
auf einen Umkreis von vier Stunden zu erweitern, da erhob die Bundes- 
versammlung Bedenken, und der General antwortete kurzab, diesmal 
könne er seinen Frankfurter Vorgesetzten nicht gehorchen. 
Um die Verwirrung zu vollenden, mischten sich auch noch die West- 
mächte ein. Da der Bundestag die Bevollmächtigten des noch nicht an- 
erkannten Königs der Belgier mehrmals zurückgewiesen hatte, so betrach- 
teten sich England und Frankreich als die natürlichen Vertreter ihres 
Schützlings. Alleye und Cartwright erhoben eine Beschwerde nach der 
anderen über angebliche Übergriffe des luxemburgischen Kommandanten 
und schlugen dabei wieder jenen rohen, zankenden Ton an, der ihnen schon 
bei dem Frankfurter Streite so übel bekommen war. Es war, als wollten 
sie nochmals der Welt beweisen, was von der gerühmten Zivilisation des 
Westens zu halten sei. Als Dumoulin einige belgische Soldaten aus dem 
Gebiete der deutschen Bundesfestung ausgewiesen hatte, da meinte der 
Engländer, „eine solche Tat launischer Willkür könne sich nur auf das 
Recht des Stärkeren stützen“; und als die Aushebung der belgischen Milizen 
im Festungsgebiete untersagt wurde, da erklärte Alleye: „die französische 
Regierung hat Grund zu der Befürchtung, daß General Dumoulin und 
seine Anstifter absichtlich einen Zusammenstoßherbeiführen wollten.“?F) Und 
nicht genug, daß die beiden das sonnenklare Recht mit dreister Stirn 
bestritten; sie traten auch allen diplomatischen Brauch mit Füßen. Sie 
unterstanden sich, dem Kommandanten von Luxemburg unmittelbar ihre 
Beschwerden einzusenden; und obwohl sie wußten, daß der Bundestag 
nach seiner Geschäftsordnung nur Verbalnoten von den fremden Ge- 
sandten annehmen durfte, so versuchten sie doch immer wieder mit dem 
präsidierenden Gesandten Münch persönlich zu unterhandeln, ja Alleye hatte 
einmal die Unverschämtheit, eine vorgebliche mündliche Außerung Münchs 
dem Bundestage vorzuhalten mit der Bemerkung: das sei so gut wie ein 
Ehrenwort! Das freche Treiben der zwei Diplomaten des Westens währte 
jahrelang. Doch mit diesen wohlbekannten Störenfrieden wußte selbst der 
Bundestag fertig zu werden; er gab immer nur kurze abweisende Er- 
  
*) Naglers Berichte, 28. Dez. 1831, 24. Jan., 10. März, 8. Mai 1832. 
*“) Verbalnoten an Münch, von Cartwright, 25. Sept. 1833, von Alleye, 26. Fe- 
bruar 1834.
	        
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