Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Verabredung über das Einmischungsrecht. 333 
den..) Der einzige Zweck des Vertrages war also eine Drohung gegen 
Frankreich, eine Drohung, die im gegenwärtigen Augenblicke nur wie eine 
mutwillige Friedensstörung wirken konnte. Wenn die Regierung des 
Bürgerkönigs im Gefühle ihrer Schwäche eine hohle revolutionäre Doktrin 
aufgestellt hatte, so war es doch sicherlich nicht geboten, ihr ein ebenso hohles 
legitimistisches Dogma in verletzender Form entgegenzuhalten. Wurde der 
Münchengrätzer Vertrag, wie er vorlag, in Paris bekannt, so vermochten 
die Orleans den kriegerischen Leidenschaften der Radikalen schwerlich mehr 
zu widerstehen und dann brach ein Weltkampf los, ein Krieg nicht um 
irgend eine ernste Machtfrage, sondern um die leeren Schlagworte der 
Revolution und der Legitimität. Wer darf sagen, ob Nikolaus' beschränkter 
Kopf alle diese Folgen übersah? Genug, der Zar erreichte seinen nächsten 
Zweck und kehrte befriedigt heim, ohne das preußische Gebiet wieder zu 
berühren. Seine ganze Reise hatte nur vier Wochen gewährt;z sie zeigte 
von Anfang bis zum Ende, daß sie nicht einer klaren staatsmännischen 
Berechnung, sondern einer jähen Despotenlaune entsprungen war. Die 
Osterreicher freuten sich inbrünstig der wiederhergestellten Freundschaft der 
beiden Kaiserhöfe, und noch nach Jahren schrieb Metternich, diese Tage von 
Münchengrätz seien dem Kaiser Franz eine der teuersten Erinnerungen 
seines langen Lebens geblieben. 
Aber sollte der König von Preußen sich's bieten lassen, daß seine Ver- 
bündeten über seinen Kopf hinweg, und in offenbarem Widerspruche mit 
den Schwedter Verabredungen, Verträge schlossen? Sollte er durch leere 
Drohungen einen Krieg heraufbeschwören helfen, dessen Gefahren man 
nirgends besser kannte als in Berlin? Über den Zustand des gerühmten 
russischen Heeres wußte General Schöler wohl Bescheid; immer wieder be- 
richtete er seinem Hofe, wie verstimmt die Offiziere seien über die furcht- 
bare Härte des Zaren, über die Ode des Kamaschendienstes, über die 
Unmasse der Disziplinarstrafen; komme der Krieg, so werde das preußische 
Heer sich ohne Zweifel vollzähliger, kampfwilliger, schlagfertiger und nach- 
haltiger zeigen als das russische.“) Die Kaisermächte schienen selbst zu 
fühlen, welche Zumutung dem Könige gestellt wurde, und sendeten daher 
zwei ihrer besten Diplomaten, Nesselrode und Ficquelmont, nach Berlin, 
um die Zustimmung Preußens zu gewinnen. Ancillon jedoch empfing die 
beiden sehr kühl: der Münchengrätzer Vertrag sei dem Könige ebenso neu 
als unerwartet und drohe in die Zukunft der drei Mächte, ja Europas der- 
maßen einzugreifen, daß die reiflichste Erwägung geboten scheine.*“) Die 
Berliner Verhandlungen währten volle drei Wochen. Metternich verzehrte 
sich in Ungeduld; gegen seine Vertrauten schalt er wieder auf Preußens 
*) Dies sagt Ancillon ausdrücklich (Weisung an Schöler, 12. Jan. 1834). 
*“) Schölers Bericht, 28. Dez. 1833 ff. 
*",) Ancillon, Weisung an Brockhausen, 26. Sept., an die Gesandtschaften 14. Ok- 
tober 1833. 
 
	        
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