Verabredung über das Einmischungsrecht. 333
den..) Der einzige Zweck des Vertrages war also eine Drohung gegen
Frankreich, eine Drohung, die im gegenwärtigen Augenblicke nur wie eine
mutwillige Friedensstörung wirken konnte. Wenn die Regierung des
Bürgerkönigs im Gefühle ihrer Schwäche eine hohle revolutionäre Doktrin
aufgestellt hatte, so war es doch sicherlich nicht geboten, ihr ein ebenso hohles
legitimistisches Dogma in verletzender Form entgegenzuhalten. Wurde der
Münchengrätzer Vertrag, wie er vorlag, in Paris bekannt, so vermochten
die Orleans den kriegerischen Leidenschaften der Radikalen schwerlich mehr
zu widerstehen und dann brach ein Weltkampf los, ein Krieg nicht um
irgend eine ernste Machtfrage, sondern um die leeren Schlagworte der
Revolution und der Legitimität. Wer darf sagen, ob Nikolaus' beschränkter
Kopf alle diese Folgen übersah? Genug, der Zar erreichte seinen nächsten
Zweck und kehrte befriedigt heim, ohne das preußische Gebiet wieder zu
berühren. Seine ganze Reise hatte nur vier Wochen gewährt;z sie zeigte
von Anfang bis zum Ende, daß sie nicht einer klaren staatsmännischen
Berechnung, sondern einer jähen Despotenlaune entsprungen war. Die
Osterreicher freuten sich inbrünstig der wiederhergestellten Freundschaft der
beiden Kaiserhöfe, und noch nach Jahren schrieb Metternich, diese Tage von
Münchengrätz seien dem Kaiser Franz eine der teuersten Erinnerungen
seines langen Lebens geblieben.
Aber sollte der König von Preußen sich's bieten lassen, daß seine Ver-
bündeten über seinen Kopf hinweg, und in offenbarem Widerspruche mit
den Schwedter Verabredungen, Verträge schlossen? Sollte er durch leere
Drohungen einen Krieg heraufbeschwören helfen, dessen Gefahren man
nirgends besser kannte als in Berlin? Über den Zustand des gerühmten
russischen Heeres wußte General Schöler wohl Bescheid; immer wieder be-
richtete er seinem Hofe, wie verstimmt die Offiziere seien über die furcht-
bare Härte des Zaren, über die Ode des Kamaschendienstes, über die
Unmasse der Disziplinarstrafen; komme der Krieg, so werde das preußische
Heer sich ohne Zweifel vollzähliger, kampfwilliger, schlagfertiger und nach-
haltiger zeigen als das russische.“) Die Kaisermächte schienen selbst zu
fühlen, welche Zumutung dem Könige gestellt wurde, und sendeten daher
zwei ihrer besten Diplomaten, Nesselrode und Ficquelmont, nach Berlin,
um die Zustimmung Preußens zu gewinnen. Ancillon jedoch empfing die
beiden sehr kühl: der Münchengrätzer Vertrag sei dem Könige ebenso neu
als unerwartet und drohe in die Zukunft der drei Mächte, ja Europas der-
maßen einzugreifen, daß die reiflichste Erwägung geboten scheine.*“) Die
Berliner Verhandlungen währten volle drei Wochen. Metternich verzehrte
sich in Ungeduld; gegen seine Vertrauten schalt er wieder auf Preußens
*) Dies sagt Ancillon ausdrücklich (Weisung an Schöler, 12. Jan. 1834).
*“) Schölers Bericht, 28. Dez. 1833 ff.
*",) Ancillon, Weisung an Brockhausen, 26. Sept., an die Gesandtschaften 14. Ok-
tober 1833.