Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Neujahrsnacht 1834. 379 
trat die Thüringer auf den Konferenzen des Zollvereins, gab in Tarif— 
sachen nur eine Gesamtstimme ab; in einigen anderen Fällen sollte er 
die Meinung jedes einzelnen thüringischen Staates gesondert vortragen. 
Dieser Bund im Bunde, welchen Preußens Staatsmänner seit dem Jahre 
1819 erstrebt hatten, erwies sich als so einfach und naturgemäß, daß nie- 
mals, auch nicht in den schwersten Krisen des Zollvereins, an die Auf- 
lösung des thüringischen Vereins gedacht worden ist. — 
Also war des großen Werkes schwerster Teil gelungen. Ein uner- 
hörter Ordenssegen belohnte die treue Arbeit des Beamtentums; die 
Jahrgänge der deutschen Gesetzsammlungen schwollen zu unförmlichen 
Bänden an von allen den neuen Verträgen und Gesetzen. Dann kam 
jene folgenschwere Neujahrsnacht des Jahres 1834, die auch den Massen 
das Nahen einer besseren Zeit verkündete. Auf allen Landstraßen Mittel- 
deutschlands harrten die Frachtwagen hochbeladen in langen Zügen vor 
den Mauthäusern, umringt von fröhlich lärmenden Volkshaufen. Mit 
dem letzten Glockenschlage des alten Jahres hoben sich die Schlagbäume; 
die Rosse zogen an, unter Jubelruf und Peitschenknall ging es vorwärts 
durch das befreite Land. Ein neues Glied, fest und unscheinbar, war 
eingefügt in die lange Kette der Zeiten, die den Markgrafenstaat der 
Hohenzollern hinaufgeführt hat zur kaiserlichen Krone. Das Adlerauge 
des großen Königs blickte aus den Wolken, und aus weiter Ferne erklang 
schon der Schlachtendonner von Königgrätz. Glücklicher als sein leiden- 
schaftlicher Freund hat Maassen die Stunde der Genugtuung noch ge- 
nossen. Er starb am 4. November 1834. Einen ebenbürtigen Nachfolger 
fand er nicht; nur in Eichhorn und den Geheimen Räten des Finanz- 
ministeriums lebten die Überlieferungen von 1818 fort. 
Der erweiterte Handelsbund nahm jetzt den Namen des Deutschen 
Zollvereins an. Aus dem dunstigen Nebel des Deutschen Bundes traten 
schon erkennbar die Umrisse jenes Kleindeutschlands hervor, das dereinst 
den Ruhm und die Macht des heiligen römischen Reiches überbieten sollte. 
  
Im Kampfe mit dem deutschen Liberalismus errang die Krone Preußen 
ihre handelspolitischen Erfolge, und nur, weil sie selbst nicht durch Reichs- 
stände beschränkt war, konnte sie ihr Ziel erreichen. Ebensowenig wie die 
süddeutschen Oppositionsparteien ahnte Zar Nikolaus, was dies beginnende 
Anwachsen der preußisch-deutschen Macht bedeutete. Da er noch immer 
auf den großen Krieg gegen die Revolution hoffte, so suchte er sich seinem 
Schwiegervater in allem, was Rußlands Interessen nicht unmittelbar zu 
bedrohen schien, freundlich zu erweisen und vermied sorgsam jeden Schritt, 
der die Bahnen des Zollvereins durchkreuzen konnte. Die unverhohlene 
Feindschaft, welche England und Frankreich dem werdenden Handelsbunde
	        
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