380 IV. 6. Der Deutsche Zollverein.
erwiesen, konnte den Zaren nur in seiner Gesinnung bestärken. Wie hoch—
mütig hatten bisher die Westmächte herabgeblickt auf dies zerrissene Deutsch-
land, das in den Wettkämpfen der Handelsvölker niemals mitzählen könne.
Welch ein Eindruck, als jetzt die neue Größe des deutschen Handelsbundes
sich erhob, und der Gesamtwert der Aus= und Einfuhr des Zollvereins
schon im ersten Jahre (1834) 249,5 Mill. Tlr., 10 Tlr. auf den Kopf
der Bevölkerung betrug. Wohl erschienen die Zahlen der deutschen Handels-
tabellen noch bescheiden genug neben den 1365 Mill. Fr., die Frankreichs
Handel im Durchschnitt der Jahre 1827—36 erreichte, oder gar neben
den 116 Mill. L der englischen Aus= und Einfuhr (1830). Aber der
Handel des Zollvereins blieb in sicherem, stetigem Aufsteigen, er wuchs in
zehn Jahren (bis 1844) auf 385 Mill. Tlr., 13 ½ Tlr. für den Kopf
der Bevölkerung. Auch die industrielle Kraft des Vereins erstarkte zu-
sehends, die Ausfuhr von deutschen Ganzfabrikaten erhob sich im ersten
Menschenalter der Zollvereinsgeschichte um 52%. Und dieser Verein um-
faßte noch bei weitem nicht das gesamte Deutschland; die ganze Nord-
seeküste, die größten deutschen Seeplätze gehörten ihm nicht an. In Rouen
und St. Etienne, in London und Manchester mußte man lernen mit einem
neuen Konkurrenten zu rechnen.
Die Regierung der Orleans, kleinlich, neidisch, mittelmäßig von Haus
aus, die geborene Feindin aller schöpferischen neuen Gedanken, eifrig bestrebt
ihre Hand in dem Spiele der deutschen Politik zu halten, trat den Plänen
Preußens durch hundert kleine Mittel entgegen. Ihre Gesandten Bresson
in Berlin, d'Alleye in Frankfurt, Mornay in Karlsruhe, und am rührigsten
von allen ihr berüchtigter Konsul Engelhardt in Mainz, zogen von einem
deutschen Diplomaten zum andern, oftmals insgeheim durch die Agenten
OÖsterreichs unterstützt; sie warnten vor Preußens Herrschsucht, boten
Handelsverträge mit dem freien Frankreich an. Zum Glück war das
starre französische Prohibitivsystem völlig unfähig, den Nachbarn lockende
Vorteile zu bieten. Als der Zollverein trotzdem zustande kam, erklärte
der Geschäftsträger in Darmstadt, Herr von Bussieres: sein Minister, der
Herzog von Broglie, beabsichtige ein freisinniges Zollgesetz mit großen
Erleichterungen für Deutschlands Schlachtvieh und Wolle; doch erwarte
man Gegenleistungen, namentlich die Begünstigung der französischen Weine,
„wenn die Richtung, welche Preußen dem von ihm gegründeten Zollvereine
gegeben hat, dies nicht verhindern sollte“. Von der hessischen Regierung
befragt, ergriff Eichhorn sogleich die Gelegenheit, der Krämerpolitik des
Bürgerkönigs heimzuleuchten. Er erwiderte (7. Febr. 18 34): Frankreich ist
noch gar nicht in der Lage, mit der freieren Gesetzgebung des Zollvereins
Zug um Zug zu verhandeln; zuerst möge man in Frankreich das Pro-
hibitivsystem abschaffen. Die Führerstelle im Zollvereine, die man in den
Tuilerien uns zuschreibt, nehmen wir nicht an. Nicht Preußen hat den
Zollverein gegründet; er entstand ganz natürlich aus dem übereinstim-