384 IV. 6. Der Deutsche Zollverein.
in Berlin abgeschlossen habe, eilte der österreichische Unterhändler, aufs
höchste bestürzt, nach Wien; er ist dann im Laufe des Jahres noch ein—
mal in die bayrische Hauptstadt zurückgekehrt — wieder vergeblich, da er
bedeutende Anerbietungen nicht zu überbringen hatte.
Und nun endlich erwachte Fürst Metternich aus seinem trägen
Schlummer. Er hatte noch im Jahre 1832 dem Berliner Kabinett ge—
schrieben: „Es liegt nicht in der Aufgabe der Bundesversammlung, in
den wichtigsten Angelegenheiten, namentlich in den Handels- und ständischen
Angelegenheiten, einen entscheidenden Einfluß zu äußern.“ Daß diese Ver—
sicherung nicht ehrlich war, liegt auf der Hand; doch beweist sie immerhin,
wie gänzlich der Staatskanzler sich in jenem Augenblicke über den schweren
Ernst der Lage täuschte, wie zuversichtlich er auf das Mißlingen der Berliner
Verhandlungen rechnete. Jetzt, nachdem die Entscheidung gefallen war, ging
ihm ein Licht auf, und er ergoß sein Herzeleid in einer langen Denkschrift
(24. Juni 1833), die von seinen Verehrern oft als ein Zeugnis groß—
artiger politischer Voraussicht gepriesen wurde. Dem unbefangenen Urteil
erscheint das Machwerk als ein wahrhaft erschreckender Beweis für die Un—
fähigkeit des Mannes, den die Höfe bewunderten und die Liberalen um
seiner dämonischen Klugheit willen fürchteten. Es war gleichsam Oster—
reichs Antwort auf jene grundlegende Denkschrift Motz' vom Juni 1828,*)
und wer die beiden Arbeiten vergleicht, erkennt sofort, warum der Wiener
Hof die Herrschaft in Deutschland schließlich verlieren mußte.
Metternich schildert zunächst die Entstehungsgeschichte des Zollvereins
in einer Darstellung, deren gehäufte grobe Schnitzer abermals lehren,
mit welchem oberflächlichen Leichtsinn die Hofburg fünfzehn Jahre lang
die Handelspolitik ihres Nebenbuhlers beobachtet hatte. Durch die Ver—
träge mit Bayern-Württemberg ist der preußische Handelsbund neuerdings
zu einer Macht geworden. „Für den Deutschen Bund als solchen, ins—
besondere aber für Osterreich, ist jener preußische Zollverein entschieden
eine höchst nachteilige und unheildrohende Erscheinung.“ Er schadet
unserm Handel, weil Osterreich jetzt im Westen und im Norden von einer
Macht umklammert wird, welche mit unserer Industrie konkurriert. Er
schadet noch mehr der deutschen Bundespolitik, denn der „Grundcharakter
des Bundes ist Gleichheit der Rechte und Pflichten der Glieder desselben.
Jede Präponderanz, jedes Vorrecht irgendeiner Macht (als solche spricht
sich das lediglich formelle Präsidium Österreichs am Bundestage keines-
wegs aus) ist dem Bundesvereine, wie ihn die Wiener Kongreßakte schuf,
gänzlich fremd.“ Heute aber entsteht „ein kleinerer Nebenbund, in dem
vollsten Sinne des Wortes ein status in statu.“ Von den siebzehn
Stimmen des engeren Rates in Frankfurt sind nur noch sieben völlig
unabhängig von dem preußischen Vereine. Es läßt sich nicht bezweifeln,
*) S. o. III. 669 f.