Frankfurts Beitritt. 403
für Leipzig schuf der Zollverein eine neue Zeit des Glanzes. Nur der
hanseatische Dünkel grollte der Schwesterstadt, die „ihre Ebenbürtigkeit um
ein Linsengericht veräußert hatte“: — so sagte Wurm noch in jenem
Hamburger Kommissionsberichte von 1847. —
Durch den Zutritt dieser letzten Bruchstücke Mitteldeutschlands er-
hielt das Gebiet des Handelsbundes einen vorläufigen Abschluß. Der
Zollverein umfaßte jetzt 8253 Geviertmeilen mit reichlich 25 Millionen
Einwohnern, er hatte 1064 Grenzmeilen zu beschützen, 9 Meilen weniger,
als Preußen allein im Jahre 1819 bewacht hatte. Behutsam, mit schonen-
der Erwägung aller volkswirtschaftlichen Interessen, wie der Bau be-
gonnen, ward er weitergeführt; nach Jahren erst traten einige neue Mit-
glieder hinzu.
Die Gleichberechtigung der Bundesgenossen wurde auch in der Form
sorgsam gewahrt. Von den vier ersten Generalkonferenzen des Zollvereins
ist nmur eine (1839) in Berlin gehalten worden. Die lockere bündische
Verfassung des Vereins zeigte bald ihre schädliche Wirkung, sie erschwerte
jede Fortbildung des Tarifs. Die finanziellen Ergebnisse blieben hinter
den Erwartungen weit zurück; die Verwaltungskosten standen noch immer
hoch, zwischen 10 und 12%. Alle diese Mängel konnten gleichwohl den
unendlichen Segen der großen Vereinigung nicht aufheben. Lange zurück-
geblieben hinter der Volkswirtschaft der westlichen Nachbarn, trat unser
Volk wieder als ihr ebenbürtiger Nebenbuhler auf den Weltmarkt. Am
Schlusse des ersten Jahrzehnts der Zollvereinsgeschichte waren die Sünden
der Jahrhunderte gesühnt. Die Höhe des Wohlstands, welche unser Vater-
land schon vor dem Dreißigjährigen Kriege erstiegen hatte, war endlich
wieder erreicht.
Die politischen Wirkungen des Zollvereins sind, dank der unver-
gleichlichen Schwerfälligkeit des deutschen Staatslebens, nicht so rasch und
nicht so unmittelbar eingetreten, als manche kühne Köpfe meinten. Schon
zu Anfang der dreißiger Jahre hoffte Hansemann, ein Parlament des Zoll-
vereins und daraus vielleicht einen deutschen Reichstag erstehen zu sehen,
und wie viele andere wohlmeinende Patrioten haben nicht ähnliche Erwar-
tungen an den deutschen „Zollstaat“ geknüpft. Aber der Handelsbund war
kein Staat, er bot keinen Ersatz für die mangelnde politische Einheit und
konnte noch durch Jahrzehnte fortdauern, ohne die Lüge der Bundesver-
fassung zu zerstören. Als Minister du Thil im Jahre 1827 seinem Groß-
herzoge den Rat gab, jenen entscheidenden Schritt in Berlin zu wagen,
da sprach er offen aus: Wir dürfen uns nicht darüber täuschen; indem
wir den Handelsbund schließen, verzichten wir auf die Selbständigkeit
unserer auswärtigen Politik; bricht ein Krieg aus zwischen Osterreich
und Preußen, so ist Hessen an die preußischen Fahnen gebunden. Des-
gleichen Dahlmann, der nach seiner großen und tiefen Art den Zollverein
sofort als das einzige deutsche Gelingen seit den Befreiungskriegen be-
267