Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Don Miguel. 499 
meinte sich berufen, nach dem Vorbilde des Erzengels Michael die Satans- 
brut der Liberalen zu vernichten, er warf die Verfassung über den Haufen, 
ließ Tausende seiner Gegner hinrichten, einkerkern, ins Elend jagen. Ob- 
wohl unzweifelhaft ein Usurpator, erfreute er sich doch der geheimen Gunst 
Metternichs — denn wer eine Verfassung brach, behielt in der Hofburg 
immer recht — und seit der Juli-Revolution begegnete er den beiden libe- 
ralen Westmächten mit der ganzen Feindseligkeit des reaktionären Partei- 
hauptes. Also geriet der freisinnige Gönner aller Revolutionen, Lord 
Palmerston, in die sonderbare Lage, sich der legitimen Rechte der jungen 
Königin annehmen zu müssen. Unmöglich konnte er dulden, daß dies seit 
vier Menschenaltern, seit dem Methuenvertrage, der britischen Handels- 
herrschaft untertänige Portugal, dies alte Jagdgebiet der Fabrikanten von 
Glasgow und Manchester, jetzt durch einen feindseligen Usurpator der 
englischen Flagge versperrt würde; die schwache Regierung eines unmün- 
digen Mädchens versprach dem englischen Interesse unvergleichlich größere 
Vorteile, und das Weiberregiment war, wie die Dinge standen, zugleich 
die Sache der Freiheit, der Verfassung. 
Unter dem jubelnden Beifall der Liberalen auf beiden Ufern des 
Kanals erklärte sich der englische Minister also für die verfassungsmäßige 
Regierung der unmündigen Königin. König Wilhelm IV. freilich gestand 
in einer geheimen Denkschrift mit seiner gewohnten beschränkten Ehrlich- 
keit: von einer Verfassung wolle die große Mehrzahl der Portugiesen nichts 
wissen, indessen halte er „die Herrschaft Don Miguels für das größere 
und dem Interesse Englands schädlichere Übel“. Eine offene Inter- 
vention zu Gunsten des legitimen Rechts durften die Westmächte jetzt noch 
nicht wagen, nachdem sie soeben den Grundsatz der Nichteinmischung feier- 
lich verkündigt hatten, doch auf Schleichwegen konnten sie ihr Ziel leicht 
erreichen, da die liberale öffentliche Meinung sich stürmisch gegen den 
portugiesischen Usurpator aussprach. Als Don Pedro im Jahre 1832 nach 
Europa heimkehrte, um seiner Tochter die Krone zurückzugewinnen, da 
stellte ihm Frankreich sofort jene portugiesischen Kriegsschiffe zur Verfügung, 
welche vor kurzem, infolge eines Streites mit Don Miguel, aus dem Tejo 
hinweggeführt worden waren, und zahlreiche französische Freiwillige traten 
unter seine Fahnen. In England wurde öffentlich für ihn geworben, obgleich 
das Gesetz jede Anwerbung für fremden Kriegsdienst untersagte. Englische 
Seeoffiziere und Blaujacken bildeten den Stamm seiner Seemacht; der 
Engländer Napier befehligte die Flotte, als beim Kap St. Vincent, auf der 
alten Stätte britischen Waffenruhms, die Schiffe Don Miguels vernichtet 
wurden. Frohlockend meldete eine offiziöse Flugschrift, deren prahlerischer 
Stil die Feder Palmerstons selber leicht erkennen ließ: „Britische Tapfer- 
keit war wie gewöhnlich mit portugiesischer Freiheit verbündet, St. Vincent 
hat nochmals die Taten des Seeheldentums gesehen.“ Zugleich erging 
an alle Höfe die inbrünstige Versicherung, daß England in diesen Händeln 
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