Steuerklagen der westlichen Provinzen. 555
erlaubt hätte. So schätzte er „das Haupt-Nationalvermögen“ der Provinz
Sachsen um 13 Mill. Taler höher als das rheinische, und auf Grund
dieser ungeheuerlichen Behauptung ließ sich dann die Überbürdung der
Rheinprovinz leicht erweisen. Noch rücksichtsloser als einst in seiner Ver-
fassungsdenkschrift*) vertrat er hier die Klassenselbstsucht der neuen bür-
gerlichen Gesellschaft: Schonung des Kapitals erschien geradezu als höchster
Zweck des Staates, der seinen Haushalt einfach nach der Bequemlichkeit
der Steuerzahler einrichten sollte. Von den schon so knapp bemessenen
Staatsausgaben wollte Hansemann beinahe eein Drittel, ziemlich 16½ - Mill.,
sofort streichen, von den Heereskosten allein 9 Mill. Taler; wurde dann
noch mit der Tilgung der Staatsschuld fortgefahren, so konnte bald eine
gründliche Steuererleichterung eintreten, auf jeden Fall aber sollte die
reiche Rheinprovinz für den Kopf der Bevölkerung einen halben Taler
weniger Abgaben zahlen als die armen Ostprovinzen! Als leuchtendes
Gegenbild wurde der preußischen Verwaltung das vorgeblich wohlfeile napo-
leonische Präfektursystem vorgehalten; denn schon war ganz vergessen, wie
schwer die Provinz einst unter den Hungergehalten und der dadurch be-
dingten Unredlichkeit der französischen Subalternbeamten gelitten hatte.
Die vielgelesene Schrift gab den süddeutschen Liberalen ein völlig fal-
sches Bild von den preußischen Zuständen; im Rheinland wurde sie eine
Macht, da ihre gewaltigen Zahlenreihen den urteilslosen Laien unwider-
leglich schienen. Kaum war sie herausgekommen, so erklärten die Provin-
zialstände, die früher nur vermutete Überbürdung des Rheinlands sei
jetzt zur Gewißheit geworden, und verlangten kurzab, daß die Grundsteuer
für die westlichen Provinzen sogleich um ein Viertel ermäßigt würde.
Einige Gegenschriften, von dem freimütigen alten Benzenberg und dem
Bonner Professor Kaufmann, machten keinen Eindruck; selbst eine meister-
hafte Denkschrift, welche Maassen noch kurz vor seinem Tode verfaßte,
beschwichtigte die erregten Gemüter nicht. Auf dem nächsten Landtage,
1837, kehrten die alten, törichten Beschwerden wieder, und da auch der
Klerus, seit er den belgischen Priesterstaat vor Augen sah, seinen Haß
gegen das evangelische Königshaus kaum noch verhehlte, so begann die
Stimmung in der Provinz recht bedenklich zu werden. —
In Westfalen war die Klage über den Steuerdruck ebenfalls allgemein.
Die schwierige Arbeit der Katastrierung, die den westlichen Provinzen an
5 Mill. Taler kostete, mußte manche wirkliche oder vermeintliche Interessen
verletzen, weil eine völlig genaue Abschätzung des beständig wechselnden
Bodenwertes unmöglich ist. Geh. Rat Rollhausen, der sie leitete, hieß
bei den Edelleuten der commissaire général und konnte oft nur durch
Vinckes starke Hand gegen grobe Anfeindungen beschützt werden. Auf den
Landtagen äußerte sich der Groll zuweilen sehr ungestüm, seit Stein die