Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Steuerklagen der westlichen Provinzen. 555 
erlaubt hätte. So schätzte er „das Haupt-Nationalvermögen“ der Provinz 
Sachsen um 13 Mill. Taler höher als das rheinische, und auf Grund 
dieser ungeheuerlichen Behauptung ließ sich dann die Überbürdung der 
Rheinprovinz leicht erweisen. Noch rücksichtsloser als einst in seiner Ver- 
fassungsdenkschrift*) vertrat er hier die Klassenselbstsucht der neuen bür- 
gerlichen Gesellschaft: Schonung des Kapitals erschien geradezu als höchster 
Zweck des Staates, der seinen Haushalt einfach nach der Bequemlichkeit 
der Steuerzahler einrichten sollte. Von den schon so knapp bemessenen 
Staatsausgaben wollte Hansemann beinahe eein Drittel, ziemlich 16½ - Mill., 
sofort streichen, von den Heereskosten allein 9 Mill. Taler; wurde dann 
noch mit der Tilgung der Staatsschuld fortgefahren, so konnte bald eine 
gründliche Steuererleichterung eintreten, auf jeden Fall aber sollte die 
reiche Rheinprovinz für den Kopf der Bevölkerung einen halben Taler 
weniger Abgaben zahlen als die armen Ostprovinzen! Als leuchtendes 
Gegenbild wurde der preußischen Verwaltung das vorgeblich wohlfeile napo- 
leonische Präfektursystem vorgehalten; denn schon war ganz vergessen, wie 
schwer die Provinz einst unter den Hungergehalten und der dadurch be- 
dingten Unredlichkeit der französischen Subalternbeamten gelitten hatte. 
Die vielgelesene Schrift gab den süddeutschen Liberalen ein völlig fal- 
sches Bild von den preußischen Zuständen; im Rheinland wurde sie eine 
Macht, da ihre gewaltigen Zahlenreihen den urteilslosen Laien unwider- 
leglich schienen. Kaum war sie herausgekommen, so erklärten die Provin- 
zialstände, die früher nur vermutete Überbürdung des Rheinlands sei 
jetzt zur Gewißheit geworden, und verlangten kurzab, daß die Grundsteuer 
für die westlichen Provinzen sogleich um ein Viertel ermäßigt würde. 
Einige Gegenschriften, von dem freimütigen alten Benzenberg und dem 
Bonner Professor Kaufmann, machten keinen Eindruck; selbst eine meister- 
hafte Denkschrift, welche Maassen noch kurz vor seinem Tode verfaßte, 
beschwichtigte die erregten Gemüter nicht. Auf dem nächsten Landtage, 
1837, kehrten die alten, törichten Beschwerden wieder, und da auch der 
Klerus, seit er den belgischen Priesterstaat vor Augen sah, seinen Haß 
gegen das evangelische Königshaus kaum noch verhehlte, so begann die 
Stimmung in der Provinz recht bedenklich zu werden. — 
In Westfalen war die Klage über den Steuerdruck ebenfalls allgemein. 
Die schwierige Arbeit der Katastrierung, die den westlichen Provinzen an 
5 Mill. Taler kostete, mußte manche wirkliche oder vermeintliche Interessen 
verletzen, weil eine völlig genaue Abschätzung des beständig wechselnden 
Bodenwertes unmöglich ist. Geh. Rat Rollhausen, der sie leitete, hieß 
bei den Edelleuten der commissaire général und konnte oft nur durch 
Vinckes starke Hand gegen grobe Anfeindungen beschützt werden. Auf den 
Landtagen äußerte sich der Groll zuweilen sehr ungestüm, seit Stein die
	        
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