Erhebung des Professorentums. 667
Gelehrtenwelt wider einen Despoten, der seine Geringschätzung der Wissen—
schaften höhnisch zur Schau trug; keine deutsche Universität, die den Sieben
nicht irgendwie ein Zeichen der Zustimmung gegeben hätte. In diesem
Kampfe war alles Recht unzweifelhaft auf seiten der Gelehrten; an ihrer
Spitze standen tapfere, makellose, schuldlos verfolgte Männer, während der
Welfe sich nur auf gemeine Knechte und auf die Angstlichkeit der deut-
schen Höfe stützen konnte.
Wenn je im politischen Streite ein moralischer Sieg erfochten wurde,
so war es hier. Ein solcher Erfolg mußte das ohnehin starke Selbst-
gefühl der Gelehrten mächtig heben; von den Sieben blieben fünf als
Menschen schlicht, edel, liebenswert, in Gervinus aber und in Ewald
verkörperte sich der unausstehliche Professorendünkel. Die einmal erregte
politische Leidenschaft hielt an; die Gelehrten begannen durch Schriften
und Reden unmittelbar an der politischen Erziehung der Deutschen zu
arbeiten, und da sie gewohnt waren, zur ganzen Nation zu reden, so
drangen ihre Stimmen weiter, als die Reden der Landtagsabgeordneten.
Die Gelehrtenversammlungen der nächsten Jahre wurden zu Vorparla-
menten, in denen die Nation die großen Tagesfragen erörterte, und als
nachher das wirkliche Parlament zusammentrat, da drangen die Gelehrten
in Scharen ein, weil sie fast die einzigen Männer waren, welche ganz
Deutschland kannte. Es war eine tragische, durch keines Menschen Willen
abzuwendende Notwendigkeit, daß diese idealistische Nation, indem sie von
den Höhen des literarischen Schaffens langsam zur politischen Arbeit hin-
abstieg, auch noch die Durchgangsstufe der Professorenpolitik überschreiten
mußte. Durch dies Übergewicht des Professorentums wurde der doktri-
näre Zug, der die Politik der deutschen Liberalen von jeher auszeichnete,
ungebührlich verstärkt, und es entstand auch der falsche Schein, als ob
der Liberalismus die Sache der Bildung verträte, während in Wahrheit
die Helden der deutschen Kunst und Wissenschaft, Goethe, Cornelius und
Rauch, Niebuhr, Savigny und Ranke, großenteils dem konservativen
Lager angehörten.
Zu Taten vermochte diese Gelehrtenpolitik sich nicht zu erheben, denn
in der Stille der wissenschaftlichen Arbeit bilden sich nicht leicht politische
Charaktere; unter den Sieben selbst war Dahlmann der einzige politische
Kopf, auch er mehr ein Denker als ein Mann der Tat, während Gervinus'
staatsmännisches Talent nur in seiner eigenen Einbildung beruhte, und die
übrigen allesamt gar keinen politischen Ehrgeiz hegten. Aber an Ideen,
an groß und tief gedachten Ideen, war dies Menschenalter des politisieren-
den Professorentums sehr fruchtbar. Bei der Lampe deutscher Gelehrten
sind die Pläne für die Einheit des Vaterlands zuerst erdacht worden, welche
nachher durch die schöpferischen Hände großer Praktiker ihre Gestaltung
empfangen sollten. Die deutsche Wissenschaft — so stark und unverwüst-
lich war ihr Wachstum — erlitt durch die politische Leidenschaft der