Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Haltung des hannöverschen Volkes. 669 
Die Masse der Beamten erwies sich ebenso unterwürfig; sie war bereit, 
wie Dahlmann sagte: „Alles zu lassen, was ihr Herz hoch hielt, um nur mit 
den Ihren das bittere Brot der Kränkung essen zu dürfen.“ Ich unter- 
schreibe alles, sagte einer verzweifelnd, Hunde sind wir ja doch. Auch an 
überzeugten Absolutisten fehlte es nicht; der Göttinger Pandektist Mühlen- 
bruch brachte auf die sieben Narren ein Pereat aus, das die erbitterten 
Studenten an seinen Fensterscheiben bestraften. Manche der älteren Be- 
amten lebten der Meinung, daß der Gehorsam gegen die Krone die ältere 
und höhere Pflicht sei. Hoppenstedt, der hochverdiente Förderer der Georgia 
Augusta, legte sich die Gewissensfrage also zurecht: der König hat einst in 
meinen alten Diensteid die Verpflichtung auf das Staatsgrundgesetz ein- 
gefügt, folglich kann er sie jetzt wieder streichen, und ich bleibe nach wie 
vor sein treuer Diener. Selbst Rose, der Haupturheber des Staats- 
grundgesetzes, ließ sich von solchen Erwägungen bestimmen. Diese Demü- 
tigung schützte den verhaßten Mann, „der den Liberalismus in das 
Ministerium eingeführt hatte“, nicht vor der Rache des Welfen. Nach 
wenigen Monaten erhielt er den Abschied. Die Entlassung erfolgte in 
ehrenvoller Form, weil Rose sich mutig erbot, alle seine Schritte vor dem 
Könige persönlich zu rechtfertigen; aber der Eintritt in den Landtag ward 
ihm ausdrücklich untersagt, und als er nach einigen Jahren aus Braun- 
schweig heimkehren wollte, da erfuhr er zu seinem Erstaunen, daß der 
Welfe ihn vorläufig aus dem Königreiche verbannt hatte. 
Im Volke zeigte sich die Widerstandskraft noch schwächer. Wie oft 
hatten einst Deutschlands alte Landstände, in Preußen und Brandenburg, 
in Magdeburg, Mecklenburg und Württemberg, mit ausdauerndem Mute 
ihre habenden Freiheiten verteidigt; eben jetzt versuchten die Stände Ost- 
frieslands, die einen hannöverschen Staat noch kaum anerkannten, den 
Wirrwarr im Welfenlande auszunutzen und die alten preußischen Sonder- 
rechte ihrer Landschaft wieder zu erlangen. Auf solche Treue konnte eine 
moderne Repräsentativverfassung, welche keinem Stande Vorrechte gewährte, 
kaum rechnen, am wenigsten hier, wo sie den Massen noch kaum bekannt 
war. Der Adel, der in den altständischen Zeiten immer durch zähe Un- 
erschrockenheit geglänzt hatte, hielt jetzt zu dem Landesherrn, er hoffte von 
der Krone die Wiederherstellung seiner alten Macht. Die Wähler der 
zweiten Kammer standen vor der trostlosen Frage, wie aus der Zerstörung 
alles Rechts ein neuer Rechtszustand hervorgehen könne? Sollte man 
wählen und also den Staatsstreich scheinbar billigen, oder das Feld ohne 
Kampf den Liebedienern der Gewalt überlassen? Parteien bestanden noch 
nicht, eine Verabredung hatte man arglos unterlassen; begreiflich also, daß 
die Entschlüsse der Wählerschaften sehr verschieden ausfielen. Von den 
78 berechtigten Wahlkorporationen wählen schließlich doch 61, die meisten, 
weil sie Schlimmeres zu verhindern hofften, andere, weil sie auf ihr Wahl- 
recht nicht verzichten wollten oder den Verlust der Garnison, des Gerichts,
	        
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