Haltung des hannöverschen Volkes. 669
Die Masse der Beamten erwies sich ebenso unterwürfig; sie war bereit,
wie Dahlmann sagte: „Alles zu lassen, was ihr Herz hoch hielt, um nur mit
den Ihren das bittere Brot der Kränkung essen zu dürfen.“ Ich unter-
schreibe alles, sagte einer verzweifelnd, Hunde sind wir ja doch. Auch an
überzeugten Absolutisten fehlte es nicht; der Göttinger Pandektist Mühlen-
bruch brachte auf die sieben Narren ein Pereat aus, das die erbitterten
Studenten an seinen Fensterscheiben bestraften. Manche der älteren Be-
amten lebten der Meinung, daß der Gehorsam gegen die Krone die ältere
und höhere Pflicht sei. Hoppenstedt, der hochverdiente Förderer der Georgia
Augusta, legte sich die Gewissensfrage also zurecht: der König hat einst in
meinen alten Diensteid die Verpflichtung auf das Staatsgrundgesetz ein-
gefügt, folglich kann er sie jetzt wieder streichen, und ich bleibe nach wie
vor sein treuer Diener. Selbst Rose, der Haupturheber des Staats-
grundgesetzes, ließ sich von solchen Erwägungen bestimmen. Diese Demü-
tigung schützte den verhaßten Mann, „der den Liberalismus in das
Ministerium eingeführt hatte“, nicht vor der Rache des Welfen. Nach
wenigen Monaten erhielt er den Abschied. Die Entlassung erfolgte in
ehrenvoller Form, weil Rose sich mutig erbot, alle seine Schritte vor dem
Könige persönlich zu rechtfertigen; aber der Eintritt in den Landtag ward
ihm ausdrücklich untersagt, und als er nach einigen Jahren aus Braun-
schweig heimkehren wollte, da erfuhr er zu seinem Erstaunen, daß der
Welfe ihn vorläufig aus dem Königreiche verbannt hatte.
Im Volke zeigte sich die Widerstandskraft noch schwächer. Wie oft
hatten einst Deutschlands alte Landstände, in Preußen und Brandenburg,
in Magdeburg, Mecklenburg und Württemberg, mit ausdauerndem Mute
ihre habenden Freiheiten verteidigt; eben jetzt versuchten die Stände Ost-
frieslands, die einen hannöverschen Staat noch kaum anerkannten, den
Wirrwarr im Welfenlande auszunutzen und die alten preußischen Sonder-
rechte ihrer Landschaft wieder zu erlangen. Auf solche Treue konnte eine
moderne Repräsentativverfassung, welche keinem Stande Vorrechte gewährte,
kaum rechnen, am wenigsten hier, wo sie den Massen noch kaum bekannt
war. Der Adel, der in den altständischen Zeiten immer durch zähe Un-
erschrockenheit geglänzt hatte, hielt jetzt zu dem Landesherrn, er hoffte von
der Krone die Wiederherstellung seiner alten Macht. Die Wähler der
zweiten Kammer standen vor der trostlosen Frage, wie aus der Zerstörung
alles Rechts ein neuer Rechtszustand hervorgehen könne? Sollte man
wählen und also den Staatsstreich scheinbar billigen, oder das Feld ohne
Kampf den Liebedienern der Gewalt überlassen? Parteien bestanden noch
nicht, eine Verabredung hatte man arglos unterlassen; begreiflich also, daß
die Entschlüsse der Wählerschaften sehr verschieden ausfielen. Von den
78 berechtigten Wahlkorporationen wählen schließlich doch 61, die meisten,
weil sie Schlimmeres zu verhindern hofften, andere, weil sie auf ihr Wahl-
recht nicht verzichten wollten oder den Verlust der Garnison, des Gerichts,