Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Stüve und die Opposition. 671 
lichen Gegenvorstellungen, den neuen Huldigungsrevers eingereicht, doch 
zugleich vor Notar und Zeugen gegen die Aufhebung des Staatsgrund— 
gesetzes protestiert, und da die Regierung immer neue Vorwände ersann, 
um ihn vom Landtage auszuschließen, so bewog er seine Stadt, sich klagend 
an den Bund zu wenden. Andere Städte und Wahlkorporationen folgten 
dem Beispiele Osnabrücks. In seiner von Dahlmann herausgegebenen 
„Verteidigung des Staatsgrundgesetzes“ wies Stüve überzeugend nach, 
daß diese verleumdete Verfassung in Wahrheit die Rechte der Regierung 
befestigt, die Macht der Krone verstärkt habe. In dem Hannöverschen 
Portfolio sammelte er, unterstützt von dem Rechtsanwalt Detmold, alle 
die Aktenstücke, welche die Nation über die Rechtsfrage aufklären konnten. 
Auch das Leipziger Deutsche Staatsarchiv wurde von ihm und seinen 
Freunden mit Beiträgen versorgt, und der neue „Deutsche Curier“ in 
Stuttgart widmete fast die Hälfte seiner Spalten der hannöverschen Sache. 
Diese liberale Wochenschrift erfreute sich, da sie über Schwaben wenig 
sagte, der besonderen Nachsicht der württembergischen Zensur; daß ihr ge— 
wandter Herausgeber A. Weil wahrscheinlich auch aus den geheimen Fonds 
der französischen Regierung unterstützt wurde, blieb den Hannoveranern 
unbekannt. 
Da die Zeit der verfassungsmäßigen Steuerverwilligung zu Neu— 
jahr 1839 ablief, so richtete Stüve an mehrere juristische Fakultäten die 
Anfrage, ob der Osnabrücker Magistrat dann noch berechtigt sei, die un- 
bewilligten Staatssteuern zu erheben. Die Berliner Fakultät verweigerte 
die Antwort, weil den preußischen Spruchkollegien untersagt war, sich mit 
politischen Fragen zu befassen. Aus Jena aber, aus Heidelberg und 
Tübingen liefen umfassende Rechtsgutachten ein, welche sich übereinstimmend 
dahin aussprachen, daß die Verfassung von 1833 noch zu Recht bestehe. 
Das von dem jungen Germanisten Reyscher verfaßte Tübinger Gutachten 
erörterte sehr ausführlich die Frage der Steuerverweigerung und sagte 
manches treffende Wort; im Grunde blieb es doch ein unmögliches Unter- 
nehmen, mit doktrinären Rechtsgründen nachzuweisen, was Rechtens sei, wenn 
das Recht aufhörte. Also standen die verhaßten Professoren abermals in 
Waffen wider die Welfen, und ganz Deutschland stimmte ihrer Beweis- 
führung zu. Selbst mit seiner Hauptstadt geriet Ernst August in Händel. 
Sie verweigerte die Neuwahl, als ihr Abgeordneter aus dem Landtage 
ausgeschieden war, und sendete einen Protest an den Bundestag. Darauf 
ließ der König den Bürgermeister Rumann absetzen und eine Untersuchung 
gegen den Magistrat einleiten, der an Stüve einen schlagfertigen Ver- 
teidiger fand. Ein Amtmann wurde, dem Gesetze zuwider, an die Spitze 
der Stadtverwaltung gestellt. Die Bürger aber drohten den Eindringling 
zum Fenster hinauszuwerfen und zogen an einem schwülen Julitage 1839 
in hellen Haufen vor das Schloß; sobald der alte Welfe sah, daß mit den 
verzweifelten Leuten nicht zu scherzen sei, gab er weislich nach, betraute
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.