Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

704 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit. 
Es rächte sich doch, daß man in diese schwierige Stellung statt eines 
kühlen Weltmannes einen evangelischen Theologen berufen hatte, der den 
harten Machtkampf zwischen Staat und Kirche nicht bloß mit den Augen 
des Politikers betrachtete und darum schon der Kurie verdächtig war. So— 
bald Bunsen seinen Sturz vorhersah, wallte die theologische Leidenschaft 
in ihm auf, und er sang, vom Kapitol nach St. Peter hinüber: 
Schau, hier im Fels, an dem du sollst zerschellen, 
Der grollest auf dem Zauberberge drüben, 
Ist des Geschickes Nagel eingetrieben, 
Wie sichs gebührt, an Kapitoles Schwellen 
Und hinter ihm kannst meinen Namen finden. 
So maßlos war das Selbstgefühl des Mannes: in dem Augenblicke, da 
er nach selbstverschuldeten diplomatischen Niederlagen das Feld räumen 
mußte, meinte er ein anderer Martin Luther zu sein! In Berlin wollte 
man ihn vorerst nicht empfangen; selbst sein Gönner Wittgenstein konnte 
ihm nur väterlich raten: vergessen Sie Rom und alle Unbilden!5) Aber 
sein wunderbares Glück blieb ihm treu. Der König und der Kronprinz 
bewahrten ihm die alte Gunst; sie verziehen ihm Mißerfolge, welche jeden 
anderen Staatsmann vernichtet hätten. Nach kurzer Zeit schon wurde 
ihm, zum Erstaunen der diplomatischen Welt, der Gesandtschaftsposten in 
der Schweiz anvertraut. — 
  
Am Berliner Hofe herrschte allgemeine Beklommenheit, der Bankbruch 
des alten Systems der Kirchenpolitik kündigte sich an. Wie fest hatte der 
König auf Bunsens zuversichtliche Ratschläge gebaut. Nun kam alles 
anders, nun mußte er erleben, wie die Wegführung des Erzbischofs in 
stiller Zeit mehr Lärm erregte als einst die Gefangennehmung des Papstes 
in den aufgeregten napoleonischen Zeiten. Daß seine katholischen Unter- 
tanen ihm Unduldsamkeit und Gewissenstyrannei zutrauten, bekümmerte 
ihn tief. Er kannte die Kurie genugsam, um zu wissen, daß man von ihr 
nie die Aufopferung eines Grundsatzes, sondern nur ein stillschweigendes 
Geschehenlassen erwarten dürfe — was er seinen Ministern beständig ein- 
schärfte. Doch viel weiter reichte seine Kenntnis der römischen Dinge 
nicht. Da er den Kirchenstreit sehr ernst nahm, so befahl er, daß die 
drei Minister, des Innern, des Auswärtigen, des Kultus ihm immer ge- 
meinsam darüber berichten sollten..“) Leider war keiner von ihnen der 
Aufgabe gewachsen. Rochow betrachtete den Handel, nach altbranden- 
burgischer Weise, lediglich als eine Frage der bureaukratischen Ordnung. 
Werther besaß, bei größerer Weltkenntnis, auch nur Sinn für die diplo- 
  
*) Werther an Bunsen, 22. Mai; Wittgenstein an Bunsen, 1. April, 27. Mai, 
10. Juni 1838. 
*) Entscheidung des Königs auf Rochows Bericht v. 23. Jan. 1838.
	        
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