Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

716 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit. 
Ein Heer meist anonymer klerikaler Schriftsteller blies in dasselbe 
Horn; der Nassauer Lieber, der unter dem Namen „eines praktischen 
Juristen“ schrieb, zeichnete sich unter ihnen durch Scharfsinn und Schroff- 
heit besonders aus. Görres selbst führte noch in mehreren Flugschriften 
seine Nachhiebe. In der Kunst des Verleumdens aber war der Heraus- 
geber der Neuen Würzburger Zeitung, Zander, allen überlegen, ein jü- 
discher Renegat aus dem Norden, derselbe Mensch, der sich durch König 
Ernst August bestechen ließ. ) Sein Blatt triefte von Schmähungen gegen 
die Hohenzollern; in diesen Spalten wurde das Kapital der antipreußischen 
Schimpfreden angesammelt, mit dem die ultramontane Partei durch ein 
halbes Jahrhundert hausgehalten hat. Den vorläufigen Abschluß dieser 
Literatur bildete ein umfängliches Buch De la Prusse et sa domina- 
tion (Paris 1842), von Cazales, einem französischen Legitimisten, der zu 
München lange in dem Görresschen Kreise gelebt hatte. Hier wurde das 
preußische Regierungssystem „ein abgeschmacktes Schaugerüste von Miß- 
bräuchen, Dekreten, thrannischen oder unmöglichen Befehlen“ genannt und 
der Kölnische Bischofsstreit eine Erhebung der reinen germanischen Rasse 
gegen das Slaventum des Nordostens. Der Franzose scheute sich auch 
nicht, den Bund der Kirche mit der Demokratie zu fordern und in der 
Weise Montalemberts, aber ohne dessen Geist, den Katholizismus als die 
Sache der Freiheit zu verherrlichen. Die Buchhandlungen von Hurter in 
Schaffhausen und Manz in Regensburg, sowie einige kleinere Firmen in 
Würzburg und Freiburg verbreiteten fast allwöchentlich neue Brandschriften 
in den Rheinlanden. Ein in Würzburg verlegtes neues Rotes Buch 
„Rheinpreußisches“ gab eine haarsträubende Schilderung von dem Wüten 
der Preußen am Rheine und als Zugabe die Erklärungen des Posener 
Erzbischofs Dunin. 
Offenbar ging die Absicht der Partei auf die Losreißung der alten 
Krummstabslande von dem evangelischen Herrscherhause. Der Historiker 
Böhmer in Frankfurt, der allerdings die Gründung des Zollvereins als 
eine persönliche Beschimpfung empfand, konnte gar nicht rührsam genug 
schildern, wie „diese Fremden in der eroberten Provinz“ sich häuslich ein- 
gerichtet hätten; er nannte die Grenzfestung Deutschlands, den Ehren- 
breitstein, das Zwing-Uri des Rheinlands und sang ingrimmig: „Die 
Tochter fremden Freiers Lohn, in die Kaserne muß der Sohn!“ Die 
belgische Presse unterstützte fast einmütig diese Bestrebungen, sie empfahl 
die Bildung einer rheinisch-belgischen Konföderation, während die bayrischen 
Ultramontanen ihrem Herrscherhause die rheinische Königskrone wünschten. 
Ein am Rheine massenhaft verbreitetes belgisches Flugblatt sagte: „Stehet 
auf im Namen euerer geschändeten Religion, im Namen euerer Freiheit, 
von eueren Henkern mit Füßen getreten. Fürchtet den Deutschen Bund 
  
*) S. o. IV. 656.
	        
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