718 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
ein eigenes Organ, das den bezeichnenden Titel erhielt: Historisch-politische
Blätter für das katholische Deutschland. Naiver ließen sich die friedens—
störerischen Absichten der Partei nicht aussprechen. Evangelische Kirchen—
zeitungen gab es längst, so gut wie katholische; aber ein historisch-politisches
Blatt für das evangelische Deutschland zu schreiben, war unter den weit-
herzigen Protestanten noch keinem in den Sinn gekommen, denn da die
evangelische Kirche sich als die allgemeine christliche Kirche ansieht und auch
darnach handelt, so wendet sich jeder gute Protestant, der über deutsche
Politik redet, an alle seine Volksgenossen. Die ersten Herausgeber der
gelben Blätter, Phillips und Görres' Sohn Guido verfuhren nicht ohne
Geschick und suchten den äußeren Anstand zu wahren, sie vermieden in
den ersten Heften absichtlich, die Kölnischen Wirren zu berühren. Doch
hinter den gebildeten Formen verbargen sie einen Fanatismus, der nicht
nur den kirchlichen, sondern selbst den bürgerlichen Frieden unmöglich
machen mußte. Ihre evangelischen Landsleute erschienen ihnen nur als
„die von der Kirche Getrennten“, die wofern sie „eines guten Willens sind“,
zur Kirche zurückkehren müßten, und den tapfersten aller deutschen Männer,
Martin Luther betrachteten sie als „ein psychologisches Problem“, das sich
nur aus einer Mischung von Hochmut und „hypochondrischer Mutlosig-
keit“ erklären lasse. Das akademische Studium der Theologen war ihnen
ein General, so gut wie die Milde des Fürstbischofs von Breslau, und als
leuchtendes Gegenbild ward der preußischen Krone der klosterfreundliche
Ludwig von Bayern vorgehalten.
Dieser geschlossenen ultramontanen Masse gegenüber fochten die Pro-
testanten als einzelne, jeder mit seinen eigenen Waffen, wie es die evan-
gelische Freiheit bedingt. In leidenschaftlichen literarischen Kämpfen läßt
sich die Bedeutung der einzelnen Schriften stets an der Zahl ihrer Gegner
abmessen. Diesmal verdiente Heinrich Leo den Preis; sein Sendschreiben
an Görres erregte ein unbeschreibliches Wutgeschrei im klerikalen Lager;
denn er fand das treffende Wort, er sagte den Gegnern rund heraus, sie
seien nicht Katholiken, sondern „Welfen“, in ihrem Treiben offenbare sich
nur der uralte Haß der deutschen Zuchtlosigkeit gegen jede feste und ge-
rechte Staatsbildung. Der Vorwurf traf um so schwerer, weil er aus
dem Munde eines Mannes kam, der seine Achtung für die römische Kirche
so oft, zuweilen über das billige Maß hinaus, bewiesen hatte. Viel milder,
aber auch im Geiste des positiven Christentums gehalten waren zwei geist-
reiche Schriften des preußischen Gesandten Frhrn. von Canitz in Hannover.
Der Jenenser Theolog Karl Hase schrieb über „die beiden Erzbischöfe“
eine historische Abhandlung, deren überlegene Ruhe den erhitzten Gegnern
ganz unverständlich war. Der Bonner Kurator Rehfues schilderte unter
dem Namen eines Sammlers historischer Urkunden „die katholische Kirche
in der preußischen Rheinprovinz“; er wies nach, wie der König auf das
Recht der Bischofsernennung, das ihm als dem Nachfolger Napoleons