Bayern als Schirmherr der Ultramontanen. 721
seltsames Zusammentreffen! In denselben Novembertagen des Jahres 1837,
da Droste-Vischering verhaftet wurde, trat das Ministerium Abel seine
Herrschaft in München an. An die Wiederherstellung der rheinischen Herr—
schaft des Hauses Wittelsbach mag König Ludwig wohl nie im Ernst gedacht
haben; solche Pläne mußten selbst der Phantasie des philhellenischen Dichter-
königs allzu verwegen erscheinen. Aber jener Gedanke, den ihm einst Görres
bei seiner Thronbesteigung ans Herz gelegt hatte, erfüllte ihn jetzt ganz
und gar: er wollte als Nachfolger des gewaltigen Kurfürsten Maximilian
der Schirmherr des deutschen Katholizismus werden. Vor diesem Ideale
verblaßten alle die anderen Traditionen seines Hauses: er vergaß, daß er
auch der Erbe der evangelischen Pfalzgrafen war, daß sein Bayern —
wie oft hatte er es doch selbst ausgesprochen! — nur im Bunde mit Preußen
sich seine Stellung in der neuen deutschen Geschichte erworben hatte. Kopf-
über stürzte er sich in eine klerikale Weltanschauung, die seinem freien
Sinne ursprünglich fremd war; sein immerdar launisches Wesen ward
nahezu närrisch, dem Bewunderer des milden Sailer ließ sich jetzt jede
klerikale Tollheit zutrauen. Graf Dönhoff schrieb: „ein Fürst, den wir
von ultraliberalen zu ultramontanen, von den übertriebensten konstitu-
tionellen Vorstellungen zur ausgesprochenen Willkürherrschaft haben über-
gehen sehen, kann auch in jeder anderen Hinsicht noch seine Meinung
wechseln.“ Und König Friedrich Wilhelm bemerkte dazu: „ein sehr kurzes,
aber sehr treffendes Bild Sr. Majestät.“/7)
Mit schamloser Parteilichkeit begünstigte der Münchner Hof von vorn-
herein alle Feinde der preußischen Regierung. Während er die Schriften
von Leo, Marheineke, Rehfues konfiszieren ließ und sich in Dresden über
die hartprotestantische Sprache der Leipziger Allgemeinen Zeitung beschwerte,
gestattete er der Neuen Würzburger Zeitung Majestätsbeleidigungen gegen
die Krone Preußen, die in diesem Zeitalter der Zensur ganz unmöglich
schienen. Jede Dreistigkeit ward den Ultramontanen nachgesehen. Den
Athanasius nahm König Ludwig aus Görres' eigenen Händen dankbar ent-
gegen und belohnte den Verfasser durch einen Orden, den die Münchner
Studenten mit Jubelrufen begrüßten; in dem Buche aber stand zu lesen,
daß die Kinder gemischter Ehen zwieschlächtige Bastarde seien, und Ludwig
selbst lebte in gemischter Ehe wie sein Vater König Max Joseph. Am
Namenstage der evangelischen Königin Therese veranstalteten die barfüßigen
Karmeliter in Würzburg, „insgemein Reuerer genannt“, einen Gottesdienst
zu Ehren der heiligen und seraphischen Jungfrau und Mutter Theresia
und verkündeten in öffentlichen Anschlägen: „Wer an diesem Tage dort um
Frieden und Eintracht der Fürsten und Potentaten, um Ausreutung der
Ketzerei und um Mehrung der christkatholischen Kirche bittet, erhält voll-
kommenen Ablaß.“ Für diese Verhöhnung seiner eigenen Gemahlin fand
*) Dönhoffs Bericht, 11. März 1838.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 46