Friedrich Wilhelms letzte Jahre. 725
Wiederbefestigung des Staates zur Seite gestanden, waren vor ihm dahin—
gegangen. In diesen letzten Jahren folgte ein Mißgriff dem andern. Der
Bundestag entwürdigte sich durch die hannöverschen Beschlüsse dermaßen,
daß niemand mehr an eine friedliche Zukunft des Deutschen Bundes
glauben konnte; die preußische Kirchenpolitik suchte vergeblich einen Ausweg
aus unleidlicher Verwirrung; und im Volke stieß das gestrenge alte
Beamtenregiment auf einen stillen, beständig wachsenden Widerwillen, den
allein die Ehrfurcht vor dem greisen Monarchen noch danieder hielt. Als
Friedrich von Gagern im Jahre 1839 den Berliner Hof besuchte, da
gewann er den Eindruck, diese Regierung halte sich nur, weil das Schicksal
sie neuerdings vor allzu heftigen Stößen bewahrt habe.
Der alte König selbst verstand die Zeit nicht mehr. Wie er den treuen
Arndt, der doch neuerdings bei den Liberalen als reaktionärer Franzosen-
freund verrufen war, noch immer unversöhnlich dem Lehrstuhle ferne
hielt, so wollte er auch von den konstitutionellen Ideen jetzt sogar noch
weniger hören als in früheren Jahren.
In einem um das Jahr 1838 niedergeschriebenen Testamentsent-
wurfe verpflichtete er den Thronfolger zur Aufrechterhaltung der Union,
der Agende, der Konsistorialverfassung und erklärte sodann nachdrücklich,
daß er die von den Vorfahren ererbte unbeschränkte königliche Gewalt
unbeschränkt seinen Nachfolgern hinterlassen wolle. Die Erfahrung lehre,
daß die Fürsten, welche auf einen Teil ihrer Rechte verzichteten, oft auch den
anderen Teil einbüßten und selbst die Möglichkeit, Gutes zu tun, ver-
lören. Seine Untertanen besäßen in den Institutionen, die er ihnen
aus freiem Willen erteilt, in der geregelten Staatsverwaltung, in dem
Staatsrate, in den Provinzialständen, in der Städteordnung, in den
Kommunalverfassungen die Bürgschaft für ungestörte Ordnung und Ge-
setzlichteit. Auf dieser Unbeschränktheit der königlichen Gewalt beruhe vor-
zugsweise die Stellung Preußens im Staatensystem; und da eine Anderung
dieses Grundpfeilers der Monarchie letztere selbst wankend machen würde,
so bestimme er hierdurch, „daß kein königlicher Regent befugt sein soll,
ohne Zuziehung sämtlicher Agnaten in dem königlichen Hause irgend-
eine Anderung oder Einleitung zu treffen, wodurch eine Veränderung in
der Verfassung des Staates, namentlich in Beziehung auf die ständischen
Verhältnisse und die Beschränkung der königlichen Gewalt bewirkt oder
begründet werden könnte.“ Im Falle der Aufnahme einer neuen Anleihe —
so fuhr der König fort — werde er nach der Vorschrift des Staats-
schuldengesetzes von 1820 handeln, in jedem der acht Provinziallandtage
je vier Abgeordnete wählen lassen, diese Gewählten durch eine gleiche
Anzahl von Mitgliedern des Staatsrats verstärken und der also ge-
bildeten reichsständischen Versammlung das Anleihegesetz — aber schlechter-
dings keine andere Frage — zur Beratung vorlegen.)) Durch einen
*7) Aufzeichnungen K. Friedrich Wilhelms für sein Testament. S. Beilage XXV.