736 XVIII. Der Herzog von Cumberland und das Staatsgrundgesetz.
wurde sie von dem hannöverschen Kabinettsministerium am 16. Oktober 1833 dem Herzog
von Cumberland zugesendet, nebst der Anfrage, ob er geneigt sei, seinen Sitz in der ersten
Kammer einzunehmen, während gleichzeitig Minister Ompteda in London an den Herzog
von Sussex die nämliche Frage stellte. Sussex erhob keine grundsätzlichen Bedenken;
Cumberland aber antwortete wie folgt:
Berlin, 29. Oktober 1833. Meine Herren! Ich habe durch den Gesandten
von Münchhausen Ihr Schreiben vom 16. d. Mts. erhalten und verfehle nicht
Ihnen für diese Mitteilung meinen Dank zu erstatten. Jedoch kann ich nicht
umhin Ihnen zu sagen, daß ich im Jahre 1819 bei meinem seligen Bruder
König Georg IV. gegen die Einführung der allgemeinen Stände protestiert habe,
da diese nach meiner Ansicht nie hätten sollen eingerichtet werden ohne vorherige
Einwilligung und Zustimmung aller männlichen Agnaten, weil dadurch eine
totale Veränderung der Verfassung des Landes bewirkt worden. Von allem,
was weiter vorgekommen, bin ich nicht genügend unterrichtet und kann mich
deshalb auch durch das neue Gesetz noch nicht gebunden halten.
Ihr ergebener
Ernst.
Die Minister, Stralenheim, Alten, Schulte, von der Wisch, waren durchweg Edel-
leute von der achtungswerten, aber geistlosen althannöverschen Schule. Begreiflich daher,
daß sie durch diese unerwartete Erklärung des Thronfolgers ganz außer Fassung gerieten.
Alle früheren Außerungen des Herzogs waren nur vertraulich geschehen. Jetzt, in dem
einzigen förmlichen Aktenstücke, das er jemals über das Staatsgrundgesetz geschrieben hat,
verweigerte er nicht nur, die früheren Verhandlungen einfach ableugnend, vorläufig seine
Zustimmung zu dem neuen Staatsgrundgesetze; er schien sogar — soweit seine Worte
sich deuten ließen — zu den alten Provinzialständen, zu dem Zustande vom Jahre 1803
zurückkehren zu wollen; denn die allgemeine Ständeversammlung, die er als unrecht-
mäßig verwarf, war im Jahre 1819 nur verändert, aber schon im Jahre 1814, zur
selben Zeit, da die Königskrone Hannovers entstand, begründet worden. In ihrer
Angst wagten die Minister nicht, dem Herzog kurzweg die Frage zu stellen, ob er das
Staatsgrundgesetz anerkenne oder eine förmliche Rechtsverwahrung einlegen wolle. Sie
schrieben vielmehr an Ompteda, den hannöverschen Minister in London (14. November
1833), erzählten ihm das Geschehene und bemerkten dazu: von einem früheren Proteste
des Herzogs wüßten sie gar nichts; auch hielten sie für zweifelhaft, ob ein solcher Protest
im Jahre 1819 überhaupt noch möglich gewesen, da die allgemeine Ständeversammlung
des Königreichs schon fünf Jahre früher einberufen worden sei. Nicht minder zweifelhaft
scheine es, ob diese Verfassungsänderungen der Zustimmung der Agnaten bedürften; bei
der Union der Landschaften Calenberg und Grubenhagen im Jahre 1801 habe man die
Agnaten auch nicht befragt. Zudem lasse sich nicht leugnen, daß die alten Provinzial-
stände größere, für die Krone gefährlichere Rechte besessen hätten, als heute der allgemeine
Landtag. Zum Schluß meinten sie harmlos, die Bemerkungen des Herzogs schienen sich
doch wohl nur auf die Form, nicht auf den Inhalt des Staatsgrundgesetzes zu beziehen;
denn aus seinen Gesprächen mit Ompteda und Falcke, aus seinen Briefen an den König
und den Herzog von Cambridge gehe klar hervor, daß er vor zwei Jahren den Ver-
fassungsentwurf gebilligt habe, mit einziger Ausnahme der Bestimmungen über die Offent-
lichkeit und die Diäten.
Der König zeigte sich über die Sinnesänderung seines Bruders keineswegs über-
rascht; er wußte längst, daß der Herzog mit dem Führer der hannöverschen Adelspartei,
Freiherrn von Schele, in Verbindung stand und sich gegen den Gesandten Münchhausen
sehr feindselig über das Staatsgrundgesetz geäußert hatte. Als ihm Geh. Legationsrat
Lichtenberg am 28. November in Brighton Vortrag hielt, versicherte er bestimmt, daß
er weder einen Protest des Herzogs aus dem Jahre 1819 kenne, noch von mündlichen