Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

738 XIX. Prinz Wilhelm und Prinzessin Elise Radziwill. 
Provinzialstände haben wie Preußen? — Das alles unter der feierlichen, dem alten 
Soldaten geläufigen Beteuerung: ich spreche meine Ansicht immer frei und offen aus, 
ich habe immer die Sache, nie die Person im Auge. — Nachdem er früherhin erklärt 
hatte my perfect satisfaction in all and every poeint, except in three points, 
wagte er jetzt zu behaupten: wenn er gegen Ompteda und Falcke nur zwei Punkte hervor- 
gehoben habe, „so werde daraus nie der Schluß gezogen werden können, daß Sie allem 
übrigen Ihren Beifall gegeben hätten". Am anstößigsten erschien ihm jetzt die Kassen- 
vereinigung, die er früher mit so inbrünstigem Danke begrüßt hatte: dadurch werde das 
königliche Einkommen abhängig von der Bewilligung der Stände. Vergeblich hielt ihm 
Lichtenberg vor, daß die Krone vielmehr erst jetzt durch die Krondotation ein völlig selb- 
ständiges Einkommen erhalte. Auch auf seine früheren Einwände kam der Herzog wieder 
zurück: Wenn man keine Diäten bewilligt hätte und die Stände wären deshalb nicht 
zusammengekommen, „so würde gerade dadurch das Gouvernement die Gelegenheit in 
den Händen gehabt haben, die Versammlung nicht ferner zu berufen zu brauchen“. Dann 
eiferte er noch gegen die Offentlichkeit des Landtags sowie gegen die neue Organisation 
der Kavallerie und ließ sich auch nicht beruhigen, als Lichtenberg ihm vorstellte, der Land- 
tag dürfe ja das Militärbudget nur in Bausch und Bogen bewilligen. Selbst der ehr- 
furchtsvolle Geheime Rat vermochte am Schlusse seiner Berichte nur zu sagen: „daß, 
wenn der untertänigst gehorsamst Unterzeichnete überhaupt wagen darf eine Ansicht 
über den Eindruck anzudeuten, welchen die lange Unterredung auf Se. k. Hoheit hervor- 
brachte, derselbe wenigstens kein durchaus ungünstiger zu sein schien.“ 
Damit schließen die Akten. Das Ministerium beruhigte sich bei diesem „schien“ 
des sanften Lichtenberg und trieb in unbegreiflicher Sorglosigkeit dem Staatsstreiche ent- 
gegen. Die welfische Tragikomödie fand nachher ihren würdigen Abschluß, als König 
Ernst August seinem Lande eigenmächtig dieselbe Verfassung vom Jahre 1819 wieder auf- 
erlegte, welche der Herzog von Cumberland einst als völlig widerrechtlich verworfen hatte. 
Dem Staatsgrundgesetze folgte am 19. November 1836 das Hausgesetz für das 
königliche Haus. UÜber dessen Entstehung weiß ich nichts neues zu berichten. Bekannt 
ist nur, daß Dahlmann, der dies Hausgesetz auszuarbeiten hatte, am 21. April 1834 
vom Kabinettsministerium die amtliche Mitteilung erhielt: die Zustimmung der voll- 
jährigen königlichen Prinzen sei erfolgt. Ebenso bekannt, daß der Herzog von Cumber- 
land am 18. Dezember 1835 an Geh. Rat Falcke schrieb: er könne als ehrlicher Mann 
das Hausgesetz, das so fest mit dem Staatsgrundgesetze zusammenhänge, für jetzt noch 
nicht unterzeichnen: I must have much more aid and advice before I can allow 
myself to take so serious a step as vyou propose me doing. Da jene Versicherung 
des Ministeriums unmöglich ganz grundlos sein kann, so drängt sich unabweisbar die 
Vermutung auf, daß der Herzog beiden Gesetzen gegenüber auf dieselbe Weise verfahren 
ist: er hat zuerst in unverbindlicher Form seine Zustimmung gegeben, um nachher — 
nicht ehrlich zu protestieren, sondern die Entscheidung ins Ungewisse hinauszuschieben. 
  
XIX. prinz Wilhelm und Prinzessin Elise Radziwill. 
Zu Bd. III. 393. IV. 197. 
Solange Kaiser Wilhelm I. lebte, hielt ich für schicklich, über seine unglückliche 
Jugendliebe nur das Unentbehrliche zu sagen. Heute trage ich kein Bedenken mehr, 
meinen Lesern aus dem Briefe des Prinzen Wilhelm vom 23. Juni 1826 die Stellen 
mitzuteilen, welche ich vor Jahren den Tagebüchern des Generals Witzleben entnommen 
habe. Diese Herzensgeschichte des Begründers unserer Einheit hat für uns Deutsche 
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