738 XIX. Prinz Wilhelm und Prinzessin Elise Radziwill.
Provinzialstände haben wie Preußen? — Das alles unter der feierlichen, dem alten
Soldaten geläufigen Beteuerung: ich spreche meine Ansicht immer frei und offen aus,
ich habe immer die Sache, nie die Person im Auge. — Nachdem er früherhin erklärt
hatte my perfect satisfaction in all and every poeint, except in three points,
wagte er jetzt zu behaupten: wenn er gegen Ompteda und Falcke nur zwei Punkte hervor-
gehoben habe, „so werde daraus nie der Schluß gezogen werden können, daß Sie allem
übrigen Ihren Beifall gegeben hätten". Am anstößigsten erschien ihm jetzt die Kassen-
vereinigung, die er früher mit so inbrünstigem Danke begrüßt hatte: dadurch werde das
königliche Einkommen abhängig von der Bewilligung der Stände. Vergeblich hielt ihm
Lichtenberg vor, daß die Krone vielmehr erst jetzt durch die Krondotation ein völlig selb-
ständiges Einkommen erhalte. Auch auf seine früheren Einwände kam der Herzog wieder
zurück: Wenn man keine Diäten bewilligt hätte und die Stände wären deshalb nicht
zusammengekommen, „so würde gerade dadurch das Gouvernement die Gelegenheit in
den Händen gehabt haben, die Versammlung nicht ferner zu berufen zu brauchen“. Dann
eiferte er noch gegen die Offentlichkeit des Landtags sowie gegen die neue Organisation
der Kavallerie und ließ sich auch nicht beruhigen, als Lichtenberg ihm vorstellte, der Land-
tag dürfe ja das Militärbudget nur in Bausch und Bogen bewilligen. Selbst der ehr-
furchtsvolle Geheime Rat vermochte am Schlusse seiner Berichte nur zu sagen: „daß,
wenn der untertänigst gehorsamst Unterzeichnete überhaupt wagen darf eine Ansicht
über den Eindruck anzudeuten, welchen die lange Unterredung auf Se. k. Hoheit hervor-
brachte, derselbe wenigstens kein durchaus ungünstiger zu sein schien.“
Damit schließen die Akten. Das Ministerium beruhigte sich bei diesem „schien“
des sanften Lichtenberg und trieb in unbegreiflicher Sorglosigkeit dem Staatsstreiche ent-
gegen. Die welfische Tragikomödie fand nachher ihren würdigen Abschluß, als König
Ernst August seinem Lande eigenmächtig dieselbe Verfassung vom Jahre 1819 wieder auf-
erlegte, welche der Herzog von Cumberland einst als völlig widerrechtlich verworfen hatte.
Dem Staatsgrundgesetze folgte am 19. November 1836 das Hausgesetz für das
königliche Haus. UÜber dessen Entstehung weiß ich nichts neues zu berichten. Bekannt
ist nur, daß Dahlmann, der dies Hausgesetz auszuarbeiten hatte, am 21. April 1834
vom Kabinettsministerium die amtliche Mitteilung erhielt: die Zustimmung der voll-
jährigen königlichen Prinzen sei erfolgt. Ebenso bekannt, daß der Herzog von Cumber-
land am 18. Dezember 1835 an Geh. Rat Falcke schrieb: er könne als ehrlicher Mann
das Hausgesetz, das so fest mit dem Staatsgrundgesetze zusammenhänge, für jetzt noch
nicht unterzeichnen: I must have much more aid and advice before I can allow
myself to take so serious a step as vyou propose me doing. Da jene Versicherung
des Ministeriums unmöglich ganz grundlos sein kann, so drängt sich unabweisbar die
Vermutung auf, daß der Herzog beiden Gesetzen gegenüber auf dieselbe Weise verfahren
ist: er hat zuerst in unverbindlicher Form seine Zustimmung gegeben, um nachher —
nicht ehrlich zu protestieren, sondern die Entscheidung ins Ungewisse hinauszuschieben.
XIX. prinz Wilhelm und Prinzessin Elise Radziwill.
Zu Bd. III. 393. IV. 197.
Solange Kaiser Wilhelm I. lebte, hielt ich für schicklich, über seine unglückliche
Jugendliebe nur das Unentbehrliche zu sagen. Heute trage ich kein Bedenken mehr,
meinen Lesern aus dem Briefe des Prinzen Wilhelm vom 23. Juni 1826 die Stellen
mitzuteilen, welche ich vor Jahren den Tagebüchern des Generals Witzleben entnommen
habe. Diese Herzensgeschichte des Begründers unserer Einheit hat für uns Deutsche
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