8. 33. Herzog Christophs Regierung. 95
waren, immer nur Bürgerssöhne. — Die Landständeerhielten das Recht,
gemeinschaftlich mit der Regierung die Gesetze zu berathen und
die Steuern zu bewilligen, wie es schon der Tübinger Vertrag festgestellt
hatte. Um eine bleibende Vertretung des Landes bei dem Fürsten zu ermöglichen,
wurden zwei Landtagsausschüsse, der größere und der klelinere, verordnet,
welche von einem Landtag zum andern dle Interessen des Landes wahren sollten.
Eines der ersten und schwersten Geschäfte des Ausschusses war die von
Herzog Christoph angeordnete Ausarbeitung eines allgemeinen Land-
rechts. Jede Gegend, oft jede Stadt und jeder Flecken hatten eigenes und
besonderes Recht, Maß und Gewicht. Durch verschiedene Veränderungen und
Verfügungen waren große Mißstände und Mißbräuche entstanden. Die Verwixrung
war groß, da sich die Rechte und herkömmlichen Gebräuche von manchen an
einander grenzenden Bezirken geradezu widersprachen. All dles zu ordnen, war nun
die Aufgabe des Ausschusses, der auch mit musterhaftem Fleiße das schwierige
Geschäft in zwei Jahren (1552 — 1554) vollendete. Im Oktober 1554 erschien
„das hoch und gemeinnützlich Landrecht“, dem schon einzelne andere
Verordnungen vorangegangen waren, viele aber nachfolgten, so die Ordnung
über das Rechnungswesen (1551), eine Fleisch= und Metzgerord-
nung (1554), Kupferschmiedsordnung (1554), Zollordnung (1554),
Hafnerordnung (1555), Meß-und Eichordnung (1555), Feuerord-
nung (1556), Hofgerichtsord nung (1557), Zehntordnung (1565),
Umgeldsord nung (1565), Forstordnung (1562), Bauordnung
(1568) und eine Polizeiordnung. Alle diese Gesetze blieben keine todten
Buchstaben, sondern traten ins Leben, und bald hoben sich die Zustände des Landes;
Handel und Verkehr blühten, der Wohlstand des Volkes wuchs und zeigte sich in
größerem Aufwand. Hierin gab allerdings der Herzog selbst nicht das beste Bei-
spiel; er war sehr baulustig. Er baute die Schlösser zu Neuenstadt, Weinsberg,
Brackenheim, Neuenbürg, Leonberg, Waldenbuch, Pfullingen, Kirchheim, Göp-
pingen, Schorndorf, in Stuttgart außer anderen Gebäuden das jetzige alte Schloß.
Auf dem Lande lag die ungeheure Schuldenlast von 1,600,000 fl.
Nach langen Unterhandlungen kam man überein, daß die Landschaft 800,000 fl.,
die Prälaten und die herzogliche Kammer je 400,000 fl. übernehmen sollen.
Dem Herzog lag aber nicht bloß das leibliche, sondern auch das geistige
und geistliche Wohl seines Volkes am Herzen. Darum war ihm nicht genug, daß
schon unter seines Vaters Regierung die Reformation im Lande eingeführt worden
war. Das Interim hatte ohnehin daran manches zum Schlimmen geändert.
Darum fand sich, was die kirchliche Verfassung und Einrichtung be-
traf, ein ungeheuer weites Arbeitsfeld. Beim Antritt der Regierung schon, als
das Interim noch in Geltung war, hatte Christoph erklärt, „daß er das heilige
Evangelium mit Zucht, Gelindigkelt und rechter Gottesfurcht pur, lauter und rein
verkündigen lasse.“ Doch konnte er nicht von Anfang an energisch einschreiten.
Es war wie im polltischen Leben zuerst dle Befrelung von äußerem Zwange nöthig.
Dort mußte Württemberg — wenigstens bis zu elnem gewissen Grad — wieder
seine Selbständigkeit und Freihelt haben, ehe in der Verfassung fruchtbare Ver-
änderungen gemacht werden konnten. Ebenso waren für ein wahres Gedeihen
des kirchlichen Lebens in Württemberg die Beseitigung des Interims und eine staat-
liche Anerkennung der evangellschen Lehre erste Bedingung. Zwar hatte auch