102 III. Württeniberg als Herzogthum.
gestellt hatte, so wurde eine Vormundschaftsregierung eingesetzt. Der größte
Theil der Räthe, Markgraf Karl von Baden, Pfalzgraf Wolsgang von
Zweibrücken und Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg
konnten sich nicht unmittelbar an den Regierungsangelegenheiten bethelligen; deß-
halb legte man die Besorgung der weniger wichtigen in die Hände der Mutter und
bestellte zum Statthalterden Obervogtvon Möckmühl, Grafceinrich
zu Kastel. Bald hatte dieser Grund, sich bei den Vormündern über den schlim-
men Einfluß zu beklagen, den die Herzogin auf Ludwig ausübe. Sie verfiel
jedoch wenige Jahre später in Wahnsinn und starb im Jahr 1588.
Am Neujahrstag 1579 übernahm Ludwig die Regierung mit dem Vor-
satze, feine solche christliche, löbliche und allgemein nützliche Regierung zu führen,
daß Gottes Ehre, sein Wort und die reine evangelische Lehre erhalten, der Unter-
thanen Wohlfahrt und Aufnahme gefördert und alle in dem Fürstenthum aufge-
richteten heilsumen Ordnungen in geistlichen und weltlichen Sachen gehandhabt
werden. Er wolle nicht nur der Regent, sondern auch der Vater selner Unter-
thanen sein.“ Doch blieb es bei dem Vorsatz und Versprechen; wohl fehlte es
dem Herzog nicht an gutem Willen, aber an der Energle, das Versprochene durch-
zuführen, weil ihm die sittliche Kraft der Selbstbeherrschung abgleng Tretz alle-
dem blühte unter seiner Reglerung manches Gute und Nützliche auf, well Ludwig
so viel Ehrfurcht vor seinem Vater hatte, daß er sich scheute, etwas anzutasten,
was dieser gegründet hatte, sondern er sich angetrieben fühlte, an dessen Arbeite#n
fortzufahren, wie auch unter Ludwig das erste Gesangbuch in Württemberg er-
schien. Auch waren aus Christophs Schule noch manche Männer da, die in
seinem Geist und mit seiner Besonnenhelt das Werk fortführten. Der berühm-
teste unter diesen ist Jakob Andreä, der Nachfolger von Johann Brenz.
Er war der Sohn eines Schmieds von Waiblingen, wurde Dekan zu Göppingen-
und übernahm später Brenzens Geschäfte. Zur Einigung im evangelischen Be-
kenntniß schrieb er vdie Schrift: „Erklärung der Kirchen in Schwaben und im
Herzogthum Württemberg" (1574); bei den Berathungen zu Torgau und im
Kloster Bergen (1577) führte er die erste Stimme. Das Ergebniß selner
Bemühungen war die Konkordienformel (1580)0).
Aehnlich dem theologischen Stifte gründete Ludwig im Jahr 1592 das
Collegium illustre 2) zu Tübingen, in welchem Jünglinge aus allen
Ständen, Adelige und Bürgerliche, ihre wissenschaftliche Bildung erhielten. Das
Haus wurde aus den Ueberresten des abgebrannten Klosters Einsiedel gebaut.
Hauptsächlich war die Anstalt von Adeligen besucht, da mit ihnen die höchsten
Beamtenstellen besetzt wurden. Nicht weniger als 23 württembergische Prinzen
erhielten darin ihre Bildung. Von nah und fern strömten Jünglinge herbel, denn
Tübingen war damals die erste protestantische Universität Deutschlands. Einer
der bedeutendsten Professoren war der geistreiche und witzige Nicodemus
Frischlin, der in einem lateinischen Gedicht auf das Landleben die Härte und
Roheit des Adels tadelte. Die Edelleute verfolgten ihn; Herzog Ludwig schützte
1) Der Witz der päpstlichen Partei ließ sich an ihm aus in dem Reime:
„Jakob Schmiedel auserkorn
Ist des Teufels Jägerhorn.“
2) In dem Gebände befindet sich jetzt das Konvikt, die Bildungsanstalt für
die katholischen Theologen. «