g. 35. Rückblick auf das sechzehnte Jahrhundert. 105
edler Herren und Damen gehörte. Kein Wunder, daß der Adel gerne aufgenom-
men wurde! Die Landschaft mochte sich über die ungeheuren Auslagen beschweren,
wie und so oft sie wollte, es war meistens vergeblich.
Wie der Adel, so hatten auch die Reichstädte ihre Selbständigkeit er-
halten; sie konnten aber ebensowenig als jener eine festgeschlossene Macht bilden,
die gegen außen unabhängig und erfolgreich hätte auftreten können. Dieselben
Reichstädte, die schon einem Eberhard II und allen Württembergern so viel zu
schaffen gemacht hatten, Efßlingen und Reutlingen, begaben sich in den
Schutz Württembergs. Die politische Bedeutung der Städte war dahin; nur in
den kirchlichen Angelegenheiten der Reformation hatten sie sich noch einmal als
tapfere Kämpfer gezeigt (Magdeburg, Nürnberg, Reutlingen). Die Entdeckung
des neuen Welttheils und neuer Seewege gab dem Handel und Verkehr eine ganz
andere Richtung; derselbe Umschwung aber, der den seefahrenden Völkern so großen
Vortheil brachte, war für die oberdeutschen Städte von Nachtheil, doch erst in
späteren Zeiten.
Für solche Straffälle, in welchen seitherige Gesetze keine Bestimmungen ent-
halten, hatte Karl V. die Halsgerichtsordnung erlassen, nach welcher nle-
mand ohne Verhör und Urtheil an Leib, Ehre und Leben gestraft werden konnte.
Aber nicht jeder Fürst hielt dieses Gesetz ein, am wenigsten der eigenmächtige
Friedrich von Württemberg. Er lleß seinen Geldmacher Peter Montanus ohne
vorhergehendes rechtliches Verfahren hinrichten, well „der Mensch außerm Reich
und kein Deutscher sei.“
In der Verwaltung der äußeren Staatsangelegenheiten war in Württem-
berg durch die Bildung des Geheimeraths eine wesentliche Aenderung einge-
treten. Dieser bestand aus dem Landhofmeister, dem Kanzler, dem Vizekanzler
und dem Kammermeister; manchmal wurde auch der Marschall beigezogen. Re-
ferent war der Kammersekretär. Die ausübende Reglerungsgewalt lag in den
Händen von 6—8, später 12 Oberräthen, denen der Kanzler vorstand.
Die Finanzangelegenheiten wurden von 5— 7 Rentkammerräthen unter dem
Vorsitz des Kammermeisters verwaltet. In den Aemtern standen zur Ausübung
der Gesetze und zur Verwaltung die Obervögte und Amtleute; in vielen
Orten waren elgene Rentbeamte, die Keller oder Kastner; die Verwaltung
der Kloster= und Kirchengüter besorgten die Klosterverwalter.
Was die sittlichen Verhältnisse in diesem Jahrhundert betrifft, so
kann allerdings nicht geleugnet werden, daß die Reformation und ihre Lehre nicht
ohne Einfluß auf die Völker gewesen waren. Namentlich gieng Herzog Christoph
mit den strengsten Gesetzen in der Kirchenzucht vor gegen Völlerei, Unzucht,
Gotteslästerung, Sonntagsentheiligung, Meineid, Zauberei, trügertsches Spiel
u. s. w. Aber einerseits waren diese Laster so tief eingewurzelt, andererseits
wirkten die vlelen Kriege Karls V. und in deren Gefolge die Menge umherschwei-
fenden, arbeitslosen Gesindels so nachthellig auf die Sittlichkeit, daß die Frucht
auch der eifrigsten Bestrebungen einzelner Fürsten nur eine geringe war. In der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts aber wirkte das schlimme Belspiel der
Höfe, des Adels und der Beamten am verderblichsten. Beinahe ohne
Ausnahme waren alle Höfe der viehischsten Trunksucht ergeben. Im Ausland
wurde „das deutsche Schwein“ sprichwörtlich. Schon Ulrich von Hutten machte
den Fürsten heftige Vorwürfe: „Wär diese Ungebehrd nit in den fürst-