110 III. Württemberg als Herzogthum.
digte. Erst als die Landschaft drohte, daß sie die 600,000 fl. Schulden, die sie
von Herzog Friedrich übernommen, wieder auf die herzogliche Kasse zurückfallen
lassen werde, beschwor Friedrich den Tübinger Vertrag, fieng aber sogleich nach
seinem eigenen Kopfe an zu wirthschaften. Die alten Räthe wurden entlassen
und neue gewählt, lauter Männer, die sich für alles als willige Werkzeuge ge-
brauchen ließen und sich nie über die Rechtmäßigkelt oder Unrechtmäßigkeit der
vom Herzog gewählten Mittel aufhlelten. Der schlimmste unter diesen gewissen-
losen Männern war Matthäus Enslin, der Sohn des Kirchenrathsdtrektors
Johannes Euslin; seine Mutter war eine Tochter des Reformators Aulber.
M. Enslin wurde Professor der Rechtswissenschaft in Heidelberg und im Jahr
1585 in Tübingen, 1593 Kanzler des Herzogs. Er war ein Mann von hohem
Verstand, aber ohne jedes Rechtsgefühl, und darum Friedrichs mächtigstes Werk-
zeug, die Verträge zu brechen und das Volk zu blindem, unbedingtem Gehorsam
zu zwingen. Nebendem, daß er die ungeheure Prachtliebe seines Herrn unter-
stützte, vergaß er aber nicht, auch für sich zu sorgen. Dem Lande wurden uner-
schwingliche Steuern auferlegt; das Volk durfte nicht einmal klagen, denn „das
unnöthige Glossiren und Disputiren“ über herzogliche Befehle war bei schwerer
Strafe verboten. Neben Enslin standen noch sein Bruder Johann Enslin
als Landschaftseinnehmer und Eßlinger als Landesprokurator.
Schon auf dem Landtag im Jahr 1595 zelgte Friedrich, daß er nicht ge-
sonnen sei, in irgend einem Stück nachzugeben. Er stellte den Antrag, daß die
Zahl der von Herzog Christoph gegründeten und vom Klostergut unterhaltenen
Klosterschulen vermindert werde. Die dadurch erzielte Ersparniß sollte
natürlich in die immer leere herzogliche Kasse flleßen. Auf die Gegenvorstellung
der Landschaft, daß dadurch das Klostergut seiner ursprünglichen Bestimmung
entfremdet werde, gieng der Herzog nicht ein. Vielmehr wurden alle Kloster-
schulen bis auf vler aufgehoben; bestehen blieben zwei höhere: Bebenhausen und
Maulbronn, und zwei niedere: Blaubeuren und Adelberg. Da die Prälaten ihre
Zustimmung hiezu nicht geben wollten, ließ der Herzog den heftigsten Gegner
der Neuerung, den Abt Konrad Weiß von Herrenalb, absetzen. —
Ebenso gewaltthätig verfuhr Friedrich mit den Bestimmungen bezüglich des Col-
legium illustre in Tübingen. Dasselbe wurde von der Universität getrennt
und nahm nur noch Söhne des Adels auf. Der Erbprinz Johann Friedrich
wurde bald Zögling der Anstalt, die von Ausländern so angefüllt wurde, daß
die eigenen Luindeskinder des Herzogs keinen Platz mehr finden konnten, weßwegen
die Landschaft Klagen gegen die Verfügungen erhob. Außerdem wurde durch diese
neuen Verfügungen, die den Bürgerstand von dem Collegium ausschloßen, in
bedauerlicher Weise ein schroffer Kastengeist zwischen Adel und Bürgerthum ge-
pflegt. Durch das im Jahr 1601 vollendete akademische Gesetzbuch, in
welchem alle alten Verordnungen, Rechte und Freihelten der Universttät Tü-
bingen aufgezeichnet und erläutert wurden, erwarb sich Frledrich ein bedeutendes
Verdienst. «
Mit vielen Anordnungen und Einrichtungeu, welche Friedrich im Innern
seines Landes traf, gieng es ihm, wie Kaiser Joseph II., von welchem Friedrich
der Große fagte: „Er macht den zweiten Schritt, ehe er den ersten gethan hat.“
Unternehmenden Geistes und voll Neuerungssucht griff er alles rasch und eifrig
an, um es meist ebenso schnell wieder aufzugeben. Den Neckar wollte er schiff-