126 III. Württemberg als Herzogthum.
eigenen Kinder; Kinder nahmen den sterbenden Eltern noch den letzten Bissen
weg; es bildeten sich ganze Banden, die auf Menschen Jagd machten, um sie zu
tödlen und zu essen. Als Eberhard im Oktober 1638 in sein Land zurückkehrte, fand
er es schrecklich verwüstet. Er hatte sich nemlich endlich selbst zu einer Relse nach Wien
entschlossen und hier vom Kaiser sein Land zurückerhalten. Aber er mußte die
kalserlichen Schenkungen anerkennen und die Klöster den Ordensgeistlichen über-
lassen. Und in welchem Zustande traf er sein armes Land an! Schorndorf,
Herrenberg, Neuffen, Waiblingen, Calw waren verbrannt, Sulz, Gröningen,
Lauffen, Güglingen, Brackenheim, Nürtingen, Valhingen, Besigheim und Nagold
zu Grunde gerichtet. Der Schaden durch Schatzungen, Verheerungen und Quar-
tierkosten belief sich seit 10 Jahren auf 110 Millionen Gulden. Das Schloß
in Stuttgart war ganz verödet; der Herzog mußte ins Landhaus ziehen. Ob-
gleich es am Hof an dem Allernöthigsten fehlte, so daß man „Tag für Tag auf
Borg in den Kramläden kaufen mußte", konnte der Herzog doch nicht von den
Jagdvergnügungen lassen; Pferde und Hunde wurden gekauft und kostspielige
Gastmahle gegeben. Solch Treiben konnte keine Bereitwilligkeit der Stände zur
Unterstützung des Herzogs erwecken. Dem am 17 Obktober eröffneten Landtag,
bei dem die Vertreter von 21 Städten und Aemtern erschienen, klagte der Herzog,
„die Stammkleinodien seien versetzt, die neuangestellten Räthe und Diener wollen
Besoldungen; es liegen ihm so viele fürstlichen Personen auf dem Halse; die Witwe
des Herzogs Julius Friedrich sitze noch in Straßburg und müsse daselbst ausgelöst
werden; mit Lebensgefahr wohne er in seiner baufälligen Residenz.“ Er bekam
darauf eine Anweisung von wöchentlichen 300 fl. auf die Staatskasse in
Stuttgart. Das Elend im Land dauerte fort. Freunde und Feinde sengten
und brannten, raubten und mordeten; der Herzog aber konnte nicht helfen.
Ueberall sehnte man sich nach dem Frieden, über den schon Jahre lang unter-
handelt wurde.
g. 40.
Der westfälische Frieden und der Zustand Württembergs.
„Gottlob, nun ist erschollen
Das edle Fried= und Freudenwort,
Daß nunmehr ruben sollen
Die Spieß' und Schwerter und ihr Mord!
Wohlauf und nimm nun wieder
Dein Saitenspiel hervor!
O Deutschland, singe Lieder,
Im bohen, vollen Chor.
Erhebe dein Gemütbe
Zu deinem Gott und sprich:
grnz beine nt * Güte
eibt denno erlich.“
P. Gerhard.
Schon im Jahr 1643 waren Gesandte des Kaisers und der deutschen Kur-
fürsten in Frankfurt a. M. zusammengetreten, um Deutschland gegen die Ueber-
griffe der Schweden und Franzosen zu schützen. Aber diese hatten ihre Hand
schon so lange und so sicher im Spiel, daß sie sich nicht mehr abtreiben ließen.
Zudem lag den Jesuiten, die sich jetzt von Habsburg ab= und Frankreich zuwand-
ten, alles daran, die Vereinigung der Deutschen möglichst lange zu verhindern.
In Osnabrück verhandelte das deutsche Reich mit Schweden, in Münster
mit Frankreich. Aber über wie viele Förmlichkelten mußte man hinüberkommen,
bis die eigentlichen Verhandlungen begannen! Indessen hatte Frankreich