Full text: Die Geschichte Württembergs.

5. 42. Herzog Eberhards III. letzte Regierungszeit. Herzog Wilhelm Ludwig. 135 
Die Landstände, von deren Einschreiten man die Abschaffung so vieler 
Mißstände im Staatswesen hätte erwarten können, wurden höchst selten einbe- 
rufen, und gewöhnlich nur, damit sie herzogliche Schulden auf die Landtagskasse 
übernehmen sollten. Zeigten sie sich nicht willig, so wurden sie dazu gezwungen, 
oder wurden die Hauptgegner der Regierung gefangen gesetzt und die Kasse 
weggenommen (Johann Jakob Moser). Oft aber verstanden die Abgeordneten, 
namentlich auch der ständische Ausschuß, das Wobl des Landes nicht und 
machten tüchtigen Räthen der Herzoge das schwere Geschäft noch schwerer 1). 
Der glänzende Hofhalt verschlang die größten Summen und brachte das 
Land an den Rand des Verderbens. Noch größer aber als der fin anzielle, war 
der sittliche Schaden des Volkes. Weohl wurden strenge Gesetze gegen 
alle Verbrechen und Laster erlassen; aber der Hof gieng mit dem schlimmen Bei- 
spiel voran, und „Worte sind Zwerge, Thaten sind Riesen.“ Unser Land konnte 
von der Krankheit, die krebsartig am innersten Mark nagte, nicht wieder genesen; 
es bedurfte einer gewaltigen Erschütterung von außen und einer inneren Erhe- 
bung, aus der allein ein wahres, glückliches Volksleben und die echte Völkerfreiheit 
erwächst. 
§. 42. 
Herzog Sberhards III. letzte Regierungszeit, 1648—1674. Herzog 
Wilhelm Ludwig, 1674—1677. 
In leichtsinniger Sorglosigkeit hatte Eberhard III. während des dreißig- 
jährigen Kriegs die Regierung angetreten und sie auch so fortgeführt. Wohl lag 
ihm während der Kriegszeiten sehr daran, wieder in den Besitz seines Fürsten- 
thums zu kommen, aber nicht, weil ihm das Wohl seiner Unterthanen sehr am 
Herzen gelegen war. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte er nach der Schlacht von 
Nördlingen sein Land nicht verlassen, um es erst nach vier Jahren wieder zu sehen. 
Durch sein Verbleiben in Württemberg wäre manches Leiden abgekürzt oder gar 
verhindert worden. Auch sein Leben in Saus und Braus zu Straßburg konnte 
nicht dazu beitragen, die Sehnsucht seines Volkes nach ihm zu erwecken, dem er 
bis jetzt nie ein treuer Vater gewesen war. 
Was Eberhard hiedurch an seinem Lande bisher versäumt hatte, suchte er 
in der zweiten Hälfte seiner Regierung wieder gut zu machen. Zwar besaß er 
nicht denjenigen Grad von Muth, Entschlossenheit und Willensstärke, dessen er in 
der schweren Kriegszeit bedurft hätte. Aber er war ein Mann von großer Her- 
nünftiger oder absichtlicher Geringschätzung und Mißachtung der heutigen konstitutionellen 
Freiheiten und Rechte mit Wehmuth von „der guten alten Zeit“ wie von verloren 
gegangenen „Fleischtöpfen Aegyptens“ sprechen und jene wieder herbeiseufzen möchten! 
1) So klagt der edle Bilfinger in einem Brief vom 14. April 1742 über die Land- 
stände: „Sie thun nichts als abgeschmackte Vorstellungen, und wenn man ihnen in gescheiden 
Sachen den Brei ins Maul schmiert, so speien sie ihn wieder aus, damit er auf dem hölzernen 
Teller um die Kirche oder ums Dorf herum getragen werde, bis er nicht nur kalt, son- 
dern gar verschimmelt ist, und doch wollen diese Leute die großen Helden sein, welche 
das Vaterland gegen das schlechte Ministerium, das die Unterthanen mit Lasten über- 
häuft und in Glaubenssachen nichts als Menschenfurcht zeigt, retten, und die Belohnung 
soll nur solchen Leuten gehören, die keine Drachme Verantwortung übernehmen, die Ver- 
antwortung und den Undank sollen die Geheimenräthe zugleich haben.“ 
1648 
bis 
1674.
	        
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