8. 44. Herzog Eberhard Ludwig. Die Wirthschaft der Grävenitz. 145
schen Sitte“ aus. „Das schandbare Leben offenbarer Hurerei wurde fast zur
Mode wie französische Hofgalanterie; Ueppigkeit, Prunkliebe, Verhöhnung der
Rechte der Unterthanen verbreiteten sich. Die Kirche wurde mit äußerlichem Re-
spekt behandelt; aber wie Ludwig fich von göttlichem Recht dispensiren zu dürfen
glaubte, so war er auch hierin ein Vorbild vieler Fürsten; in diesem allem ein
Vorbild des Fürsten, der für Württemberg als Herzog herangewachsen war!“
Eberhard Ludwig dachte nicht daran, die vielen Wunden, welche der
Krieg geschlagen hatte, zu heilen. Großartige Feste und Jagden 1) wurden ab-
gehalten; der Hofstaat wurde vermehrt, namentlich durch ausländischen Adel, der
Versorgung suchte, ohne für Württemberg etwas zu thun. Unter diesen Adeligen
am württembergischen Hofe war ein Mecklenburger, Friedrich Wilhelm von
Grävenitz, der während des Krlegs nach Schwaben gekommen war und nach
seiner Verabschiedung durch Empfehlungen herzoglicher Kammerjunker wurde.
Um in Stuttgart sein Glück zu machen, ließ er seine Schwester, Christiane
Wilhelmine von Grävenitz, kommen, welche bald die erklärte Maitresse
des Herzogs wurde. Ihre Götzen waren Habsucht, Herrschsucht und Wollust.
In kurzer Zeit hatte sie den Herzog so an sich gefesselt, daß er sich in allem voll-
ständlg von ihr leiten ließ. Er überhäufte sie mit Gnadenbezeugungen und Ge-
schenken und setzte die Summe von 20000 fl. daran, um bei dem Kaiser ihre und
ihres Bruders Erhebung in den Reichsgrafenstand durchzusetzen. Damit war
sie aber noch nicht zufrieden; sie drang auf eine Vermählung mit dem Herzog,
welcher endlich erklärte, daß es ihm unmöglich sei, mit der Herzogin 2) zu leben; er
habe die triftigsten Gründe, sich von ihr zu trennen. Im Juli 1707 wurde der
Herzog mit der Grävenitz auf dem Neuhaus von dem Pfarrer Pfähler in Mühlen
getraut. Der Herzog zeigte es den Geheimeräthen an mit der Bemerkung, daß
sie die Sache überall zu vertheidigen hätten. An eindringlichen Vorstellungen
fehlte es nicht. Seine Räthe, die Mitglieder der Synode und alle, die es mit
Fürst und Volk gut meinten, redeten dem Herzog zu, das gegebene Aergerniß ab-
zustellen. Aber er erklärte, „als protestantischer Fürst sei er niemand als Gott
Rechenschaft über seine Handlungen schuldig.“ Dem Hofkaplan Malblanc gab
das Konsistorlum auf seine Anfrage die Weisung, „er solle sein Gewissen be-
wahren, von Christi Wort und Befehl nicht weichen, sondern thun, wie einem
gewissenhaften, rechten Theologen zustehe.“ Darauf hin verweigerte der Hof-
kaplan dem Herzog und der Grävenitz das Abendmahl. Die Verzweiflung
seiner Gemahlin und die Empörung seines Volkes beachtete der Herzog
gar nicht.
Inzwischen war das Grafendiplom von Wien angekommen. Die Grävenitz
wurde nun „Gräfin von Urach.“ Schon vorher hatte ihr der Herzog die
Deutschen bleiben, weil es ihme schimpflich und E. E. Raths disreputirlich.“ Erlaß
vom 31. Aug. 1647. Württemb. Jahrbücher III, 289. — Aus einem Vorschlage der
gemäßigten Partei der Landstände vom Jahr 1737: „Man habe ganze vier Wochen über
den Receß zu deliberiren, glossiren, justificiren und alsdaun wieder ein und anderes zu
moderiren, guädigster Herrschaft wieder schriftlich die monita zuzustellen, vom Geheimen-
rath Antwort und resolutiones zu erwarten, priora zu repetiren, inhäriren u. s. w.“
1) Im Jahr 1702 stiftete der Herzog den Hubertus-Orden (Hubertus als Schutz-
patron der Jagt).
2) Jehanna kllisabeth, Tochter des Markgrafen Friedrich Magnus von Baden-
Durlach.
Staiger, Geschichte Württembergs. 10