148 III. Württemberg als Herzogthum.
Neben der Herrschsucht wollte die Landhofmeisterin auch ihre Habsucht
befriedigt haben. Nachdem sie mit dem geheimen Kabinet und dem Geheimerath
einen Vertrag auf Gegenseitigkeit der Verantwortlichkeit abgeschlossen hatte, „da-
mit man beim Tode des Herzogs auch gesichert wäre“, herrschte sie unum-
schränkt. Sie umgab den Herzog mit Spionen; kein Schreiben konnke zu oder
aus den Händen des Herzogs gelangen, ohne daß sie es gelesen und genehmigt
hatte. Alle herzoglichen Befehle wurden von ihr unterzeichnet. Der Herzog
war in allem ihr Knecht. Aemter, Titel und Gnadenbezeugungen mußten von
ihr gekauft werden. Wer sich um eine Stelle bewarb, mußte zuerst zahlen.
Die Kautionen der Beamten, die aber nicht verzinst wurden, mußten bar bezahlt
werden. Kam ein Beamter, der nachträglich mehr für eine Stelle bot, so wurde
sie diesem zugetheilt. Der erste aber erhielt keinen Schadenersatz. All dieses
Geld floß in die Kasse der Grävenitz. Zu der Privatkasse des Herzogs besaß sie
einen eigenen Schlüssel. Sogar das Kirchengut, die Gelder der Witwen und
Waisen waren vor ihren Diebsfingern nicht sicher. Sie scheute kein Mittel,
um in den Besitz großen Reichthums zu kommen 1). Ihr Geld legte sie in
den Banken von Genf, Venedig und Hamburg an. Der Herzog mußte ihr
die Herrschaften Welzheim, Brenz, Gochsheim, Schloß und Dorf Stetten
schenken.
Mit dem Stellenverkauf gieng die Freiheit des Rechts Hand in Hand.
Beim Fällen eines Urtheils bekam stets derjenige Recht, welcher am melsten be-
zahlt hatte 2). Die Gräfin unterhielt Spionen, die eigens im Lande herumreis-
ten, um reiche Leute herauszufinden, welchen auf irgend welche Weise, durch Ver-
leumdungen, falsche Anklagen, List und Drohung Geld abgezwungen werden
könne. So mußten Beamte, Reiche und Vornehme manches Vergehen, das ohne
jene Spionage verborgen geblieben wäre, mit schwerem Gelde büßen. Bekam sie
in Stetten vom Herzog Besuch, bei welchem ihr stets Holz, Wein und Früchte ge-
liefert wurden, so legte sie doch nachgehends der Kammer noch Rechnungen vor.
Nichts war ihr zu gemein, zu schmutzig.
Zu allen diesen Gewaltthätigkeiten und Rechtsverletzungen mußte das Volk,
das der Gräfin längst den Namen „Landverderberin" gegeben hatte, schweigen.
Bei empfindlicher Strafe" war verboten, übel von ihr zu reden. Der Landschaft
wurde mit Anwendung von Gewaltmitteln gedroht, wenn sie sich weigere, Geld
zu bewilligen. Nur die tiefgekränkte Herzogin war nicht zur Nachgiebigkeit zu
bewegen. Sie blieb ruhig in ihrem Schloß zu Stuttgart. Weil aber die
Gräfin ihre eigene Residenz haben wollte und die Unzufriedenheit des Volkes,
namentlich der Stuttgarter, immer mehr zunahm, so schritt der Herzog zum Bau
1) So konfiscirte sie eine Menge englischer Waren, um damit ihre Garderobe
zu bereichern, und der Herzog selbst erschien mit ihr öffentlich in dem geraubten Gold-
brokat. — Ein andermal kam ein Mann zu ihr und bot ihr 5000 fl. für das Recht,
eine Apotheke zu errichten. Sie nahm das Geld, guittirte, schickte aber das Patent
nicht. Der Mann kam wieder und mahnte. Die Gräfin konnte sich nicht mehr er-
innern und wollte sich erst durch die Quittung überweisen lassen. Sie empfieng fie,
nahm sie mit und kam nicht wieder Die Person erhielt niemals wieder das Geld
zurück, noch das Patent.
2) Den Beamten dagegen, namentlich den Justizbeamten, wurde alle Annahme
von Geschenken streng verboten. (16. Febrnar, 15. März 1715.)