8. 45. Herzog Karl Alexander. Die Wirtbschaft des Juden Süß Oopenheimer. 155
Der schamlose Mensch war dem Herzog so unentbehrlich geworden, daß er
sich, auf des Fürsten Gunst gestützt, alles erlaubte. Die vornehmsten fürstlichen
Räthe behandelte er mit Hohn und Verachtung und drohte ihnen beim geringsten
Widerspruch mit Kassation, Kreuzweisschließen, Festungsstrafe, Verbannung, ja
mit Auspeitschen, Hängen und Köpfen. Die Unzufriedenheit des Volkes suchte
er durch ein herzogliches Dekret zu unterdrücken, nach welchem „ietzt und
fürderhin der geheime Finanzrath Süß in Ansehung seiner zu
des Herzogs völligem, gnädigem Vergnügen geleisteten Dienste
nie zur Verantwortung gezogen, noch ihm wegen je zuweilen
empfangener Geschenke ein Vorwurf gem acht werden sollte“.
Im Februar 1737 erhlelt er sogar ein herzogliches Legitimations-De-
kret 1) für alle seine vergangenen und zukünftigen Handlungen, das uhn aller-
dings nachher nichts nützte.
Süß war durch sein seitheriges Glück so frech geworden, daß er sich nicht
scheute, die Ehre der Familien und die Unschuld zu beflecken. „Seine zügellose
Wollust zu befriedigen, bediente er sich aller ihm zu Gebot stehenden Mittel:
Ueberredung und Drohen, List und Gewalt mußten ihm die Opfer seiner Lüste
verschaffen und das häusliche Glück mancher Familie wurde durch diesen Böse-
wicht zu Grunde gerichtet"“. Dabei war es ihm eine Lust, die von ihm enthei-
ligte Unschuld noch zu verhöhnen.
Die sittlichen Grundlagen des Staats und des bürgerlichen Lebens waren
auf diese Weise vollständig untergraben werden. Keine Stimme durfte sich gegen das
schreiendste Unrecht erheben. Die geachtetsten und ehrenhaftesten Männer wur-
den auf die Festung geschickt. Der Herzog aber war für sein Volk unnahbar.
Gegen die Landstände, die lihm nicht immer zu Willen waren, war er sehr erbit-
tert, so daß er einmal erklärte, bei der nächsten Sitzung lasse er ein Batalllon
vor's Landhaus marschiren. Ein Staatsstreich stand bevor. An der Spitze der
Verschwörung standen der Bischof von Würzburg und General Rem-
chingen. Es gieng allgemein das Gerücht, es solle eine absolute
Herrschaft eingeführt 2), die Religions-Reversalien sollten
zurückgenommen und die katholische Konfession der prote-
stantischen mindestens gleichgestellt werden.
Von den Planen der Remchingen'schen Partei hat man keine bestimmte
Gewißheit, da sogleich nach des Herzogs Tode die wichtigsten Papiere bei Seite
geschafft wurden. Daß man römischerseits große Hoffnungen hegte, kann als
gewiß angenommen werden. Schon bei Eberhard Ludwig war der Versuch
gemacht worden, ihn zum Uebertritt zur katholischen Kirche zu bewegen, „nicht
lediglich um des Gewinns der einzelnen Seele willen“, wie der Papfst schrieb,
„sondern es sei auch Hoffnung, daß das Beispiel dieses Fürsten dem wahren
Glauben noch andern Zuwachs bringen werde“. Remchingen versuchte, bei dem
württembergischen Militär dem Kathollcismus Bahn zu brechen. Der Bischof
1) Der Herzog, der ungerne an die Unterschrift dieses Dekrets gieng, soll dabei
gesagt haben, „er wolle unterschreiben, weil er den Kujonen noch brauche, ibn aber
unnvermuthet auf eine Festung schicken.“
) „Der Hoder der Landschaft soll der Kopf zertreten werden
und so Karl Alerander von den ihm# gottlos und leichtfertig abgezwackten Einschrän-
kungen befreit werden“, schrieb Remchingen an den Würzburger Geheimenratb Fichtel.