Full text: Die Geschichte Württembergs.

168 M. Wurttemberg als Herzogthum. 
bergischer Truppen an Holland, von wo sie in die afrikanischen und in- 
dischen holländischen Kolonieen eingeschifft wurden und von denen nur wenige ihr 
Vaterland wiedersahen. 
Gegen derartige Vergewaltigungen trat der Ausschuß entweder gar nicht 
oder ohne Nachdruck auf, konnte es auch nicht, weil er seine eigenen Pflichten 
nicht erfüllte. So war es dem Herzog leicht gemacht, den Erbvergleich da und 
dort zu brechen. Die außerordentlichen Geldforderungen (die Kammer machte 
in den Jahren 1770—1777 nicht weniger als 1,400000 Gulden Schulden), 
die Lotterie und der Diensthandel dauerten fort. Letzterer wurde noch ein- 
träglicher als früher betrieben, weil man die Preise steigerte und die Unterhändler 
dadurch ersparte, daß die Bewerber ihre Angebote den Bittschriften beifügen muß- 
ten. Alles Ermahnen und Drohen der Landschaft nützte nichts. Der Ausschuß 
zahlte sogar lange Zeit jährlich 20000 fl. für die Aufhebung des Diensthandels; 
der Herzog gab mehrmals sein fürstliches Ehrenwort, daß er das Uebel beseitigen 
werde. Aber der Diensthandel dauerte, so lange Karl lebte. Das Jagd-- und 
Forstwesen gab fortwährend Veranlassung zu gerechten Klagen. Das Wild 
that immer noch ungeheuren Schaden an den Feldern, weil es nicht genügend 
vermindert wurde. Die Wälder wurden unsinnig ausgehauen. So führte allein 
die Calwer Kompagnie in 30 Jahren 124000 Stämme Bauholz aus, die Masse 
Schnitt= und Sägwaren gar nicht gerechnet. Die schönste Holländer Tanne 
kostete damals 8 fl. Vorstellungen beim Herzog um Abstellung solcher Uebel- 
stände wurden vom Herzog höchst ungnädig ausgenommen: ger wisse sich seines 
Rechtes nicht zu begeben und könne sich sein Jagdvergnügen nicht ganz verderben 
lassen“, oder, „er hätte erwartet, die Landschaft würde sich durch seine gnädigsten 
Resolutionen und das dadurch an den Tag gelegte abermalige Merkmal seiner 
landesväterlichen Gesinnung vollkommen haben beruhigen lassen“. 
Obgleich der Herzog durch manche seiner Thaten bewies, daß sein Wille 
sich keinem Gesetz füge, so war doch allmähllch eine Ver änderung in sei- 
nem Charakter vorgegangen. Das Alter hatte seine Leiden-- 
schaften gemäßigt und gemildert; seine Kraft, die als ein wilder 
Stromschäumend dahingebraust war, trat in ihreufer zurück; die 
schlechten Rathgeber waren gewichen; die Stlimme des Volkes, 
die sich nicht länger beschwichtigen oder überhören ließ, ver- 
langte Abstellung der Uebelstände in der Regierung; eine Frau, 
die alles Gute, Wahre und Schöne pflegte, hatte ihn gefes- 
selt, und Preußens König war allen Fürsten als Vorbild 
darin vorangegangen, daß die Aufgabe vieler Fürsten nicht in 
der Befriedigung aller Lüste und Leidenschaften, sondern in 
dem edlen Streben bestehe, die Völker durch das Emporheben 
auf eine höhere Kulturstufe glücklich zu machen. In dem Gefühl, 
daß er seither an seinem Lande viel gesündigt hatte, ließ Herzog Karl an seinem 
50. Geburtstage (11. Febr. 1778) eine von ihm selbst verfaßte Erklärung von 
allen Kanzeln des Landes ablesen, „er sei ein Mensch und deßhalb immer unter 
dem Grade der Vollkommenheit. Es haben sich aus menschlicher Schwachheit, 
unzulänglicher Kenntniß und andern Umständen viele Ereignisse begeben, die nun 
nicht mehr eintreten werden. Ein solches freimüthiges Geständniß abzulegen, 
sei eine Pflicht, die besonders den Gesalbten der Erde heilig sein müsse. Er be-
	        
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