Full text: Die Geschichte Württembergs.

8. 49. Räckblick. Fortsetzung. Kirche und Schule, Wissenschaften und Künste. 183 
sing als der klare, scharfe Kritiker und Formenbildner, als der Schöpfer einer 
kräftigen, edlen Prosa und als Reformator des Geschmacks auftritt, finden wir 
in Wieland, dem dritten im Bunde, das deutsche und das christliche Element 
gänzlich ausgelöscht. Was Klopstock und Lessing auf das entschiedenste bekämpft 
hatten, vertritt Wieland: die modernste französische Kultur, die Kultur des um 
alles Höhere und Ideale unbekümmerten, heitern Lebensgenusses, die Kultur der 
Sinnlichkeit, der Frivolltät. Der überall erkennbare, oft sogar bestimmt ausge- 
sprochene Zweck der Poesie Wielands ist, zu beweisen, daß es keine Ideale, nichts 
Großes, Würdiges und Edles gebe. Er ist der Repräsentant des Zeitalters Lud- 
wigs XV. in Deutschland; er findet alle Weisheit in der möglichst klugen und 
möglichst vollständigen Ausbeutung des sinnlichen Vergnügens, alle Sittlichkeit 
im Leben und Lebenlassen, im möglichst verfeinerten Egoismus. Darum war er 
auch der Held seiner Zeit für alle diejenigen Kreise, welchen Klopstock als Christ 
widerwärtig, als Dichter erhabener Ideen unausstehlich, Lessing durch die Klar- 
heit seines Denkens lästig und unerträglich war. Er war der Klassiker für die 
von dem feinen und süßen französischen Gifte angesteckten Kreise der Gesellschaft, 
die sich bisher bloß von französischer Literatur genährt hatten. Wieland brachte 
alle Schlüpfrigkeit und Unsittlichkeit der französischen Literatur in deutscher Sprache 
und hat dadurch, obgleich er selbst ein gutmüthiger Lebemann war, sehr nachtheilig 
gewirkt. Seine sinnlichen, lüsternen Romane brachten namentlich der Jugend 
große Gefahr, wie er denn selber wünschte, daß seine eigenen Kinder vor ihrer 
Verheirathung seine Werke nicht lesen möchten. Wielands Hauptwerke sind der 
Oberon, die Abderiten und der Agathon. — Christoph Martin Wieland 
ist im Jahr 1733 zu Oberholzheim bei Biberach geboren, in welche Statdt sein 
Vater, ein evangelischer Pfarrer, 1734 versetzt wurde. In seinem 14. Jahre 
kam er in die Schule nach Klosterbergen bei Magdeburg; von 1750— 1752 
studirte er in Tübingen die Rechtswissenschaft, die er jedoch bald verließ, um sich 
ganz der Poesie zu widmen. Bodmer berief ihn nach Zürich, wo er, sowie später 
in Bern, als Hauslehrer wirkte. Im Jahr 1760 wurde er Kanzleidirektor 
(Stadtschreiber) in seiner Vaterstadt Biberach Nach 9 Jahren erhielt er einen 
Lehrstuhl der Philosophie an der Universität Erfurt, bis er im Jahr 1772 von 
der Herzogin Anna Amalie von Sachsen-Weimar zum Erzieher und Lehrer ihrer 
Söhne, der Prinzen Karl August und Konstantin, berufen wurde. Wieland 
starb im Jahr 1773. 
Zwischen Klopstock und Wieland steht Schubart (1739—1798) als 
Mittelglied, der als erstes und nächstes Dichtervorbild Schillers gilt. Er war 
politisch liberal, vertheidigte das Reinmenschliche gegenüber dem Bestehenden, 
bietet aber in seiner „deutschen Chronik“ neben manchem Edlen und Wahren viel 
Seichtes und Trivlales. Durch seinen derben und drastischen Ton wurde er in 
den mittleren und unteren Volksschichten ungemein beliebt. Herzog Karl ließ den 
„Tyrannenfeind“, in welchem er einen württembergischen Voltalre vermuthete, 
auf den Asberg setzen, um ihn durch- strenge Kerkerhaft zu bekehren. Vorher, 
ein roher Wüstling, hatte er in Wielands Ton und Geschmack die lascivsten, von 
ihm selbst später meist unterdrückten Sachen geschrieben. Jetzt dichtete er fast nur 
noch geistliche Lieder, mit überquellender, leidenschaftlicher Empfindung. Schubart 
sagt in der Vorrede zu seinen „Gerichten“, deren Ausgabe er im Jahr 1785 auf 
dem Asberg besorgte: „Die frommen Empfindungen, die sanften, himmelahnen-
	        
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